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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Aufmerksamkeit galt eher dem zweiten Quorrl. Der Krieger sah langsam in die Runde, und er tat es mit einer Aufmerksamkeit, die ein wenig über das zu erwartende Maß hinausging. Er suchte
etwas. Jemanden.
Titch hatte sich getäuscht. Es mochte noch einen anderen Grund geben, aus dem die Quorrl hier waren, aber sie waren
auch
gekommen, um nach Kiina und ihm zu suchen.
    Einem Mädchen von zwanzig Jahren und einem Mann, der ihr Vater sein konnte,
dachte er. Plötzlich hatte er das Gefühl, daß der Quorrl ihn einfach erkennen
mußte.
Er hätte nicht neben Kiina bleiben dürfen, sondern sich unter die anderen Gefangenen mischen müssen, spätestens, als die Quorrl kamen. Jetzt war es zu spät.
    Der Quorrl kam näher, vielleicht durch Zufall, vielleicht nicht, aber Skar spürte, daß er irgend etwas
tun
mußte. Er konnte den Blick der dunklen Fischaugen regelrecht spüren. Mühsam hob er den Kopf, sah dem Quorrl einen Moment lang direkt ins Gesicht und ließ sich dann wieder zusammensacken. Der Quorrl musterte ihn aufmerksam,
sehr
aufmerksam, ihn und Kiina. Wenn er Verdacht schöpfte, waren sie verloren. Vielleicht — nur vielleicht — konnte er diese beiden Quorrl und auch Cron besiegen, wenn er den Vorteil der Überraschung ausnutzte; aber draußen auf dem Hof mußten Dutzende von Kriegern sein.
    »Schlag mich«, flüsterte er, ohne die Lippen zu bewegen. Kiina sah ihn verwirrt an. »Frag jetzt nicht, sondern schlag mich mit der Kette. So fest du kannst.«
    Kiina verstand ganz offensichtlich kein Wort; und sie reagierte auch nicht. Skar hob den Kopf, musterte den Quorrl eine Sekunde lang mit leerem Blick und drehte sich dann zu Kiina um. Seine rechte Hand griff nach ihrer Brust und drückte hart und schmerzhaft zu, so daß sie ein überraschtes Keuchen ausstieß. Instinktiv versuchte sie ihn abzuschütteln, aber Skar hielt sie unbarmherzig fest und machte Anstalten, sich mit dem ganzen Körper auf sie zu werfen. Kiina wehrte sich immer noch nicht. Ein Peitschenhieb traf seinen Rücken und warf ihn zu Boden.
    Skar schrie vor Schmerz, rollte herum und riß schützend die Arme über das Gesicht, als die Peitsche des Quorrl ein zweites Mal auf ihn herabsauste. Die dünnen, mit eisernen Stacheln besetzten Lederriemen rissen seine Haut auf. Blut lief über seine Unterarme und sein Gesicht. Er schrie abermals, krümmte sich vor Schmerz und verlor fast das Bewußtsein, als der Quorrl ihn in die Seite trat. Noch ein weiterer Hieb, und er würde entweder sterben oder aufspringen und sich wehren; was auf das gleiche hinauslief.
    Aber er kam nicht. Der Quorrl wandte sich mit einem zornigen Grunzen um und ging zu seinem Kameraden zurück, während Kiina mit schreckgeweiteten Augen und erstarrt dasaß und abwechselnd ihn und den schuppigen Giganten anstarrte. Sie hatte nicht begriffen, was Skar getan hatte; und warum.
    Durch einen Schleier aus Blut und Schmerz sah Skar zu Cron auf. Der Quorrl blickte kalt auf ihn herab, ohne die geringste Regung, ohne Mitleid oder Triumph.
Schlachtvieh,
dachte Skar. Er betrachtete ihn wie ein Stück Vieh, interessiert, aber ohne das allermindeste Gefühl. Seine rechte Hand grub sich in den Boden, so fest, daß Blut unter seinen Fingernägeln hervorquoll, aber dieser Schmerz war das einzige, was ihn noch davon abhielt, aufzuspringen und Cron die Faust ins Gesicht zu schlagen.
    Er mußte wohl das Bewußtsein verloren haben, denn das nächste, was er registrierte, war Titchs Hand, die in seinem Nacken lag und seinen Kopf stützte, und einen Becher mit einer kalten, völlig geschmacklosen Flüssigkeit, der an seine Lippen gehalten wurde. Er trank, zuerst gierig und mit großen ungeschickten Schlucken, so daß das meiste wieder über seine tauben Lippen lief, dann etwas vorsichtiger. Erst dann öffnete er die Augen.
    »Idiot«, sagte Titch kopfschüttelnd. »Was, zum Teufel, sollte das? Eine besonders originelle Art, Selbstmord zu begehen?« Skar stemmte sich hoch und schüttelte seine Hand ab. Sofort wurde ihm schwindelig, aber sein Zorn auf den Quorrl war stark genug, daß er sich kein äußeres Zeichen von Schwäche erlaubte.
    »Sprichst du nicht mehr mit jedem?« fragte Titch grollend, als er nicht antwortete, sondern sich mit zusammengebissenen Zähnen herumdrehte und an Kiinas Seite humpelte.
    »Doch«, antwortete Skar. »Ich bin nur verblüfft, daß
du
mit
mir
sprichst. Ich unterhalte mich selten mit meinem Frühstück.« Titch fuhr wie unter einem Schlag zusammen. Er wollte etwas sagen, fand
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