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Enwor 9 - Das vergessene Heer

Enwor 9 - Das vergessene Heer

Titel: Enwor 9 - Das vergessene Heer
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gebunden; mit weichen, aber sehr widerstandsfähigen Fesseln aus Leder, die ihm nur wenige Zoll Bewegungsfreiheit gewährten. Titch beugte sich vor und riß die Bänder kurzerhand entzwei; ohne sichtliche Anstrengung und mit beiden Händen. Skar bemerkte, daß die Wunde in seiner Rechten aufgehört hatte zu bluten. Fragend sah er den Quorrl an.
    »Sie verstehen viel davon, Wunden zu heilen«, sagte Titch, der seinen Blick bemerkt und richtig gedeutet hatte.
    »Und noch mehr davon, sie zuzufügen.«
    Titch erstarrte für einen Moment mitten in der Bewegung.
    Sein Blick wirkte gequält. Dann drehte er sich abrupt um, beugte sich über Skars Beine und zerriß auch die Bänder, die seine Fußgelenke hielten. Unsicher stemmte Skar sich auf dem Rand der Liege hoch, stützte die Ellbogen auf den Knien auf und verbarg das Gesicht zwischen den Händen. Er wartete darauf, daß ihm übel oder schwindelig wurde, wie so oft in letzter Zeit, aber keines von beidem geschah. Das verzehrende Feuer in seinem Inneren war erloschen.
    Nur das Flüstern war noch da; und das fürchtbare Wissen, die Wahrheit die ganze Zeit über gewußt zu haben.
Sie sind wieder
    da, Satai!
    »Ich hielt es nicht für eine gute Idee«, sagte Titch unvermittelt. »Aber Ennart bestand darauf.«
    »Worauf?« Skar nahm die Hände herunter. Die Wand hinter dem Quorrl war schwarz, und sie bestand tatsächlich aus Metall, wie er im ersten Moment angenommen hatte. Titchs Bewegungen spiegelten sich darin wider wie in einem riesigen, matten Spiegel, als der Quorrl die Hand hob und eine zugleich erklärende wie unwillige Geste machte.
    »Bei dir zu sein, wenn du erwachst. Du mußt… mich hassen.« Was für Unsinn, dachte Skar. Er verstand Titchs Beweggründe vielleicht besser als der Quorrl selbst. Wäre Titch ein Mensch gewesen, dann wäre er jetzt vielleicht aufgestanden und hätte ihm einfach die Hand auf die Schulter gelegt, in einer einfachen, aber erklärenden Geste. Aber Titch
war
kein Mensch, und so blieb er einfach sitzen und sah schweigend zu dem Quorrl hoch. »Er… er glaubt, es wäre besser, wenn
ich
dir alles erkläre«, fuhr der Quorrl fort, stockend, ohne Skars Blick standhalten zu können, und mit einer Stimme, die seine Qual deutlich machte. Seine Hände spielten nervös an den Schuppen seiner goldenen Rüstung.
    »Das brauchst du nicht«, sagte Skar leise. Er lächelte bitter.
    »Du hättest mich nicht einmal niederzuschlagen brauchen, weißt du das eigentlich?«
    »Ich mußte es«, murmelte Titch. »Ich… konnte nicht anders. Ennart ist… sie sind…«
    »Die
Alten«,
unterbrach ihn Skar. Titchs Augen weiteten sich erschrocken, und Skar fuhr mit leiser, kraftlos klingender Stimme fort: »Ich weiß es, Titch. Du bist deinem Gott begegnet, als er den Helm abnahm. Ich hätte nicht anders gehandelt, an deiner Stelle. Niemand hätte das.« Und trotzdem tat es weh, in dem Moment, in dem er es aussprach, zehnmal mehr als zuvor. Titch hatte nicht anders gekonnt. Sein Verrat war kein Verrat gewesen. Aber Skar hatte trotzdem das Gefühl, den letzten Freund verloren zu haben, der ihm noch geblieben war.
    »Du… weißt?« murmelte Titch überrascht.
    »Schon seit langer Zeit«, antwortete Skar. »Dein Vater…
    Trash… er hat es mir gesagt, ehe er starb. Ich habe nur nicht verstanden, was er gemeint hat. Vielleicht wollte ich es auch nicht verstehen.«
    »Er hat es… gewußt?« murmelte Titch fassungslos.
    »Ja. Ich… glaube es wenigstens. Ich habe nicht verstanden, was er gemeint hat, aber jetzt…« Er stand auf, blickte einen Moment lang an Titch vorbei auf die spiegelnde Wand aus Metall und schüttelte müde den Kopf. »Sie sind wieder da«, murmelte er. »Das waren seine letzten Worte.«
    Titch starrte ihn an. Vielleicht spürte er, daß Skar nicht die Wahrheit sprach, daß es da noch etwas gab, was er ihm verschwieg. Trash hatte noch etwas gesagt. Aber er sprach ihn nicht darauf an, und Skar seinerseits fühlte, daß jetzt nicht der Moment war, dem Quorrl auch den Rest zu erzählen. Vielleicht hatte er den einzig möglichen Augenblick dafür längst verpaßt.
    Er sah sich suchend um und entdeckte seine Kleider auf einem Schemel neben dem Bett, sauber gewaschen und zusammengefaltet. Ohne ein weiteres Wort zog er sich an. Dabei fiel ihm ein breites, silbernes Band aus einem anschmiegsamen Material auf, das sich um sein linkes Handgelenk spannte und bisher unter der Fessel verborgen gewesen war, so daß er es gar nicht bemerkt hatte. Er fühlte es
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