Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
wieder der werden, der du einmal warst, bevor ... dieses unselige Kind geboren wurde. Diese Närrin Vela, was hat sie getan?«
    Er versuchte die Hand zu heben und hatte nicht mehr die Kraft dazu. Ein neuer Hustenanfall schüttelte seinen Körper, und plötzlich war in seinem Atem ein schreckliches röchelndes Geräusch. Er starb.
    »Geh«, brachte Drask mühsam hervor. »Geh und suche sie, Skar. Du bist der einzige Mensch auf dieser Welt, der es kann, denn du wurdest zu diesem Zweck erschaffen. Geh und suche die alten Götter.«
    Der einzige, der ihn beachtete, als er wenig später den Kerker wieder verließ, war der riesenhafte Quorrl. Er blickte ihn auf eine sehr sonderbare Weise an, mit dem Mißtrauen, das so sehr zu seiner Natur gehörte wie die schuppige Haut und das fürchterliche Raubtiergebiß, aber auch ...
nachdenklich!
    Fast, dachte Skar schaudernd, als hätte er durch das fingerdicke Holz hindurch jedes Wort verstanden. Aber das war natürlich Unsinn.
    Er verscheuchte den Gedanken und beeilte sich, wieder ins Freie zu kommen. Plötzlich hatte er das Gefühl, hier unten nicht mehr atmen zu können.
    »Das ist nicht dein Ernst«, entrüstete sich Del. Die Fassungslosigkeit in seiner Stimme war nicht gespielt, und was Skar auf seinen Zügen las, das war ebenso echt. »Du willst gehen, nur weil ein sterbender alter Mann dir gesagt hat, daß du es tun sollst?! Was ist los mit dir? Hast du einen Schlag auf den Kopf bekommen, oder wirst du jetzt wirklich alt?«
    Skar lächelte dünn, obwohl Del mit einem Ernst gesprochen hatte, der die Wahl seiner Worte Lügen strafte, und in einer Art, die Skar sich schuldiger vorkommen ließ, als wenn er ihm Vorwürfe gemacht hätte.
    Sie saßen sich im Thronsaal der Burg gegenüber, und hinter dem bunten Bleiglas der Fenster wurde es wieder Tag. Skar hatte nicht geschlafen in dieser Nacht, sondern war ruhelos in der Festung auf und ab gewandert, wie ein in einem Käfig gefangenes Raubtier, das es nicht wagt, durch die offenstehende Tür zu schlüpfen. Die Nacht war endlos gewesen — vielleicht die längste seines Lebens, sicher aber die schwerste. Es war nicht einfach so, daß er eine Entscheidung zu fällen hatte, die sein gesamtes weiteres Leben beeinflussen mochte —
daran
hatte er sich allmählich gewöhnt, so absurd das klang. Aber zweierlei Dinge waren diesmal anders: Zum einen war es nicht nur
sein
Leben, über das er entschied, und zum anderen war es nicht nur
seine
Entscheidung. Vielleicht war sie es niemals gewesen. Drask hatte es nicht einmal angedeutet, und es gab nicht die Spur eines Beweises, daß es so war — aber in letzter Zeit plagte Skar immer häufiger der Gedanke, daß vielleicht nichts von alledem, was geschehen war, Zufall gewesen sein mochte. Was, wenn sie alle nichts als Figuren in einem Schachspiel der Götter waren, wenn alles geplant gewesen war? Wenn dieses zweite Leben, das er lebte, kein Geschenk war, sondern er es leben
sollte,
um etwas ganz Bestimmtes zu tun — möglicherweise nichts weniger, als Enwor zu retten. Oder zu vernichten.
    Der Gedanke machte ihn zornig. Er hatte es stets gehaßt, Befehlen zu gehorchen. Die Vorstellung, sich wie eine Marionette an unsichtbaren Fäden zu bewegen, an deren Fäden eine gefühllose Macht vom anderen Ende der Zeit zerrte, machte ihn fast rasend. Aber welche Wahl blieb ihm schon? Er konnte sich wehren, konnte sich gegen das Schicksal auflehnen und —und damit vielleicht gerade wieder das tun, was er tun sollte, dachte er bitter. Welchen Sinn hatte es zu kämpfen, wenn man nicht einmal wußte, auf welcher Seite man überhaupt stand?
    »Ich hätte diesen Drask den Hunden zum Fraß vorwerfen sollen«, fuhr Del fort, als Skar nicht antwortete. »Ich hätte nicht auf dich hören sollen. Drask ist —«
    »Drask ist tot«, unterbrach ihn Skar, bevor Del sich vollends in Rage reden konnte. »Und ich habe mir meinen Entschluß sehr genau überlegt, bevor ich hierhergekommen bin.« Er sprach schärfer, als er eigentlich beabsichtigt gehabt hatte. Es machte ihn wütend, sich vor Del rechtfertigen zu müssen, und er verspürte ein heftiges Gefühl von Schuld, als er an Drask zurückdachte. Der Magier war eine Stunde nach ihrem Gespräch gestorben, aber obwohl sein Entschluß zu diesem Zeitpunkt bereits feststand, hatte er bis jetzt gezögert, mit Del zu reden.
    Sich selbst gegenüber hatte er als Grund vorgeschoben, Del nicht wecken zu wollen, denn wie sie alle bekam er in den letzten Tagen viel zu wenig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher