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Enwor 7 - Das schweigende Netz

Enwor 7 - Das schweigende Netz

Titel: Enwor 7 - Das schweigende Netz
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatten, kam ihm Del so alt vor, wie er war. Skar schauderte. Es war nicht gut, die Zeit zu betrügen, dachte er. Er war plötzlich nicht einmal sicher, ob er dieses neue Leben überhaupt leben wollte.
    »Drachen verfolgen Drachen!« Del schüttelte den Kopf, setzte sich wieder im Sattel auf und blickte ihn fast bestürzt an. »Was, verdammt noch mal, bedeutet das?!«
    »Das finden wir bestimmt nicht heraus, wenn wir hier stehenbleiben und nur zusehen«, antwortete Skar.
    Die Reaktion auf seine Worte war anders, als er erhofft hatte —Del nickte zwar, ganz automatisch und ohne ihn anzuschauen, aber weder er noch einer seiner Begleiter machten irgendwelche Anstalten, die Pferde anzutreiben und den Steilhang hinunterzureiten. Ein rasches, heftiges Gefühl von Zorn machte sich in Skar breit.
    »Was ist los?« fragte er. »Worauf warten wir?«
    »Es sind
Drachen,
Herr«, antwortete einer der Männer neben Del. »Und sie haben Scanner.«
    Wie, um seine Worte zu bestätigen, züngelte in diesem Moment wieder ein dünner, grausam weißer Blitz aus der Hand der winzigen Gestalt im Nacken des flüchtenden Drachen und brannte eine Narbe aus grellem Licht in den Himmel. Skars Zorn verstärkte sich zu reiner Wut, aber da war auch ein Gefühl von ... ja, beinahe Entsetzen, aufjeden Fall aber Erschrecken. Es war ein Satai, der diese Worte gesprochen hatte, und sie waren fast zweihundert!
    Einen Moment lang starrte er den Mann voller unverhohlener Verachtung an, dann riß er sein Pferd ohne ein weiteres Wort herum und galoppierte los. Del rief ihm irgend etwas nach, das er nicht verstand, und er hörte, wie sich nun auch die anderen in Bewegung setzten, aber er sah sich nicht einmal um. Tief über den Hals seines Pferdes gebeugt, jagte er an der Felskante entlang, schlug einen engen, sehr riskanten Bogen um ein eisverkrustetes Stück Fels und preschte schließlich den schneebedeckten Hang hinunter, der sich dem Felsabbruch anschloß.
    Für Minuten verlor er den grünen Drachen und seine Verfolger aus den Augen, denn er mußte seine ganze Konzentration dazu aufwenden, nicht aus dem Sattel geschleudert zu werden oder mitsamt dem Pferd zu stürzen. Der Hang war sehr steil, und die dünne Decke aus Pulverschnee verlieh ihm ein trügerisch falsches Aussehen: Unter dem flockigen Weiß verbargen sich Steine und Erdspalten und das Geäst erfrorener Büsche, die sein Pferd mehr als einmal zum Straucheln brachten. Der Hang war so steil, daß das Tier gegen seinen Willen immer schneller wurde. Der Augenblick war abzusehen, an dem es einfach so schnell wurde, daß es seine Bewegungen nicht mehr koordinieren konnte und über seine eigenen Beine stolperte, oder in eine der zahllosen Fallen unter dem Schnee trat und sich ein Bein brach.
    Skar verschwendete kaum einen Gedanken daran. Er raste innerlich vor Zorn. Das Zögern des Satai
(Satai?
Etwas in ihm sträubte sich selbst dagegen, dieses Wort auf den Mann an Dels Seite anzuwenden, und wenn er tausendmal den fünfzackigen Stern der Kriegerkaste auf der Stirn trug!) hatte etwas in ihm zum Überkochen gebracht. Was er in seinen Augen gelesen hatte, war Angst, ein Gefühl, auf das er ein Recht hatte wie jeder Mensch, aber nicht in diesem Moment und nicht
so,
und dieser Ausdruck hatte das letzte bißchen Verbundenheit zerstört, das er noch zu Dels Männern empfunden hatte. Das Gefühl tat weh, entsetzlich weh, aber es kam nicht einmal unerwartet, und obwohl sich etwas in ihm wie ein getretener Wurm krümmte, ohne diesem entsetzlichen Schmerz dadurch irgendwie entgehen zu können, funktionierte ein anderer Teil seines Denkens gleichzeitig mit fast phantastischer Klarheit: Der Satai in ihm war erwacht, und er fragte ihn spöttisch, was um alles in der Welt er allein und so gut wie unbewaffnet gegen
drei Drachen
ausrichten wollte, und ob er denn sicher war, daß er sich auf der richtigen Seite in diesen Kampf einmischte, und wer dieser Reiter war, der da auf sie zufloh, und warum.
    Er fand auf keine dieser Fragen eine Antwort, aber er zögerte trotzdem keine Sekunde, sondern trieb das Pferd eher noch zu größerer Eile an, als sie die Ebene erreichten und sich der Schwung ihres rasenden Hangrittes allmählich aufzehrte. Flüchtig blickte er über die Schulter zurück. Dels Satai waren ihm gefolgt, aber er hatte einen Vorsprung von gut drei-, vielleicht sogar vierhundert Pferdelängen, und er wuchs noch beständig, denn die Männer in den schwarzen Mänteln ritten nicht halb so selbstmörderisch, wie
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