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Enwor 3 - Das tote Land

Enwor 3 - Das tote Land

Titel: Enwor 3 - Das tote Land
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Lächerlichkeit degradiert wurde. Der Wind wurde kälter und verspottete die lodernde Glut, und der Schnee fiel jetzt dichter, selbst hier unten, im Schutz der Felswände. Sicher wäre es vernünftiger gewesen, die wenigen kostbaren Minuten, die ihm noch blieben, zu nutzen, um zu schlafen oder wenigstens auszuruhen, aber Skar wußte, daß dann die Alpträume wiederkommen würden, und er hatte Angst davor. So stand er nach wenigen Augenblicken wieder auf und ging zu den beiden Sumpfleuten.
    Der Wind traf ihn mit voller Wucht, als er aus dem Schutz des Kraterwalles heraustrat, aber nicht nur der Wind traf ihn, sondern auch der Gluthauch Combats, der selbst über die große Entfernung hinweg noch deutlich zu spüren war. Hastig vergrub er die Hände unter seinem Mantel und ging mit schnellen Schritten auf die El-tra zu. Sie standen, zusammen mit den Pferden, im Windschutz eines zusammengefallenen Mauerrestes, aber es gab hier nur die Wahl zwischen der klirrenden Kälte des Eissturmes, der vom Gebirge herabfauchte, auf der einen und dem Glutatem der brennenden Stadt auf der anderen Seite. Es gab kein Dazwischen, keinen noch so winzigen Fleck des Ausgleichs, sondern nur Extreme, so wie alles in diesem Teil der Welt extrem zu sein schien, und die eher an Wärme als an Kälte gewöhnten Sumpfmänner hatten sich — wie nicht anders zu erwarten — auf der windabge-wandten Seite des Mauerstückes postiert. Skar konnte im unsicheren Licht der heraufziehenden Dämmerung nicht erkennen, was sie taten. Ihre Bewegungen, ohnehin nur schwer zu bestimmen, wurden zu einem huschenden Hin und Her zwischen tanzenden Lichtflecken und flackernden grauen Schatten. Die Pferde waren unruhig. Die Hitze mußte ihrer empfindlichen Haut Schmerzen bereiten, und das unablässige Heulen des Sturmes, für Skar und die anderen schon so zur Gewohnheit geworden, daß sie es kaum mehr bewußt wahrnahmen, schien sie allmählich zur Raserei zu treiben. Die Schattenmänner hatten die schweren Leder- und Stahlpanzer entfernt, in die die Tiere gehüllt gewesen waren, und aus den schwarzen Ungeheuern, denen sie sich vor zwei Tagen gegenübergesehen hatten, waren wieder Pferde geworden. Aber unter den wuchtigen Rüstungen war noch mehr zum Vorschein gekommen: Skar sah mit Schrecken die unzähligen wunden Stellen, die trüb entzündeten Augen und die schnellen, mühsamen Stöße, mit denen der Atem der Tiere ging. Für einen Moment fragte er sich ernsthaft, ob diese Pferde überhaupt noch die Kraft hatten, ein Kind zu tragen, geschweige denn einen ausgewachsenen Mann. Ihre Chancen standen schlechter, als er geglaubt hatte.
    Er bückte sich, hob einen der massigen schweren Brocken auf, die den Boden so weit er sehen konnte wie scharfkantiger schwarzer Schnee bedeckten, und drehte ihn unschlüssig in den Händen. Der Brocken war heiß, heiß und schwerer, als er hätte sein dürfen, und Skar erkannte, daß es sich nicht, wie er bisher angenommen hatte, um Lava handelte, sondern um geschmolzenes und zu einer krumigen schwarzen Masse zusammengefallenes Metall.
    »Du solltest das nicht anfassen«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Skar schrak so heftig zusammen, daß ihm der Brocken entglitt und auf den Boden zurückfiel. Das Heulen des Sturmes hatte die ohnehin leisen Schritte El-tras verschluckt, und Skar hatte dadurch nicht gemerkt, daß der Sumpfmann hinter ihn getreten war. »Man sagt, dieses Land atme den Tod aus«, fuhr El-tra fort. »Berühre nicht mehr davon, als nötig ist.«
    »Was meinst du damit?«
    El-tra deutete ein Schulterzucken an; eine Geste, die Skar noch nie an ihm oder einem seiner Brüder beobachtet hatte und die er sich vielleicht nur zulegte, um in Skars Augen menschlicher zu erscheinen — seltsamerweise schien sie den Unterschied eher zu betonen, statt ihn zu verwischen. »Man nennt die Ebenen von Tuan auch das Tote Land«, sagte er. »Doch was tot ist, muß auch einmal gelebt haben.« Damit wandte er sich um und ging wieder zu den Pferden hinüber, ohne mehr Zeit mit weiteren Erklärungen zu verschwenden.
    Skar sah ihm mit einer Mischung aus Ärger und Erheiterung hinterher. Er hatte sich daran gewöhnt, von den El-tra selten eine klare Antwort auf eine klare Frage zu bekommen. Aber er wußte auch, daß sie niemals etwas Überflüssiges oder Dummes sagen würden. Reden nur um den Redens willen schien den Sumpfmännern unbekannt zu sein.
    »Was tot ist, muß auch einmal gelebt haben ...«, wiederholte er El-tras Worte, und plötzlich, als
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