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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hier nur in den unwegsamsten Winkeln des Gebirges lebten, daß sie in Höhlen hausten und mit Sonnenaufgang in eine totenähnliche Starre verfielen und zur hilflosen Beute ihrer Feinde wurden. Er hatte nie eines dieser Tiere gesehen, aber allein der Gedanke an die Art ihres Lebens erschien ihm wie eine groteske Ungerechtigkeit des Schicksals. Nach Dunkelwerden grausame und nahezu unbesiegbare Räuber, waren sie während der hellen Tagesstunden selbst gegen den schwächsten Angreifer wehrlos; sicherlich einer der Gründe, warum sie so gut wie ausgestorben waren.
    »Ich weiß es nicht«, sagte er nach einer Weile. »Aber es ist hell.« Arsan sah ihn zweifelnd an. »Hier draußen, ja«, sagte er.
    Skar schüttelte den Kopf. »Sie wachen erst nach Sonnenuntergang auf.«
    »Und worin besteht dort drinnen der Unterschied zwischen Tag und Nacht?« fragte Arsan.
    Skar wußte keine Antwort auf diese Frage, und sie interessierte ihn auch nicht sonderlich.
    »Wir werden es herausfinden«, sagte er leichthin. »In spätestens einer Stunde müssen wir aufbrechen. Der Weg hinunter auf die Ebene ist noch weit. Ich möchte keine weitere Nacht im Gebirge verbringen.«
    Arsan nickte, legte den Kopf in den Nacken und blinzelte nach oben. Obwohl die Sonne grell und flammend am Himmel stand, war es eisig kalt, und ihr loderndes rotes Licht schien nicht mehr als böser Spott zu sein.
    Skar schauderte. Aber es war nicht die Kälte, die ihn frösteln ließ. Diesmal nicht. »Gehen wir zurück zum Feuer«, sagte er. »Es ist noch etwas Holz da. Wir sollten uns aufwärmen, ehe wir aufbrechen. Der Abstieg wird sicher gefährlich. Und ich habe keine Lust, mir den Hals zu brechen, nur weil ich vielleicht die Zügel nicht richtig halten kann.«
    Arsan starrte weiter in das Dunkel jenseits des Höhleneingangs, als hätte er Skars Worte überhaupt nicht gehört. Sein Gesicht war leer, und seine Haltung wirkte unnatürlich starr und verkrampft. »Weißt du«, sagte er leise, ohne den Blick von dem schattenerfüllten schwarzen Schlund zu wenden, »daß ich fast die ganze Nacht hier gestanden habe?«
    Skar antwortete nichts. Arsans Worte waren nur scheinbar eine Frage gewesen.
    »Ich habe hier gestanden und überlegt, ob ich nicht einfach hineingehen und Schluß machen soll«, fuhr Arsan nach sekundenlangem Schweigen fort. »Einfach hineingehen und Schluß machen. Ist das nicht verrückt?«
    Skar schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist ganz und gar nicht verrückt.« Er verstand den Kohoner gut, nur zu gut. Arsan hätte nicht hierherkommen dürfen, nie. Er hatte sich der Gruppe angeschlossen, obwohl er gewußt hatte, daß er sterben würde, und wahrscheinlich hatte er auf dem ganzen Weg hier herauf an nichts anderes gedacht als an den Tod. Arsan war kein Held. Er war nicht einmal mutig. Er war nichts als ein kleiner, verzweifelter Mann, der geglaubt hatte, eine Chance zu bekommen. Und doch mußte etwas Besonderes an ihm sein, etwas, das Skar bisher noch nicht entdeckt hatte und von dem Arsan vielleicht nicht einmal selbst wußte, das Vela aber dazu bewogen hatte, Skar diesen Mann mitzugeben. Skar begriff plötzlich, daß es seine Pflicht war, sich um den Kohoner zu kümmern, wenn schon nicht als Mensch, so doch wenigstens als Kommandant der Gruppe, als der er sonst zu spät merken würde, worin die besondere Begabung dieses kleinen traurigen Mannes gelegen hatte.
    »Du sprichst in letzter Zeit ein wenig zuviel vom Sterben«, sagte er tadelnd.
    Zu seiner eigenen Überraschung lächelte Arsan. »Ich wußte, daß du das sagen würdest«, erwiderte er.
    »So?«
    »Ich weiß fast immer, was du in einer bestimmten Situation tun oder sagen wirst«, fuhr Arsan fort.
    Skar sah den dunkelhaarigen Kohoner verwirrten. »Bin ich so leicht zu durchschauen?«
    Arsan nickte. »Schwerer als die anderen«, sagte er. »Doch auch bei dir ist es möglich. Es ist einfach, hinter das Gesicht eines Menschen zu blicken.«
    »Du ... liest Gedanken?« fragte Skar stockend.
    Arsan schüttelte rasch den Kopf. »Nein. Aber ich beobachte. Ich habe Augen zum Sehen und Ohren zum Hören. Ich kenne euch alle, Skar, nicht nur dich.« Er drehte sich herum und deutete der Reihe nach auf die anderen. »Nicht einer von ihnen ist in Wirklichkeit das, was er zu sein vorgibt, aber die meisten wissen es nicht einmal. Sie alle tragen Masken, Skar, auch du. Nimm«, fuhr er fort, als Skar ihn mit deutlichem Zweifel ansah, »zum Beispiel Beral. Er spielt gerne den Narren, dabei ist er in
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