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Entsetzliches Gleichmaß

Entsetzliches Gleichmaß

Titel: Entsetzliches Gleichmaß
Autoren: Olivia Woods
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warnte der Admiral, »als dass wir noch hoffen könnten, unser Ziel zu erreichen.«
    »Ist der Kreis nicht geschlossen, wird sich der Teppich auflösen«, entgegnete der Colonel. »So weit darf es nicht kommen.«
    »Was muss ich tun?«, fragte Ben.
    Und sie sagten es ihm.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte Opaka Sulan, nachdem sie den Schrein des Drehkörpers geschlossen hatte.
    Ben nickte, aber es war mehr ein Reflex. Ein immenses Gefühl des Verlusts hatte ihn überkommen. Zwar war er schon nach früheren Erfahrungen mit den Tränen erschöpft oder belebt gewesen, körperlich wie geistig, dieses Mal war es jedoch anders, verstörend. Im gleißenden Licht des Drehkörpers hatte er sich komplett gefühlt – vollständiger denn je zuvor. Nun aber spürte er nur noch den Nachhall dieses Gefühls, eine Erinnerung, die zu schmerzhaft war, um sich ihr ganz hinzugeben, unterstrich sie doch, wie schrecklich isoliert er auf der linearen Ebene war.
    »Trinken Sie das.« Opaka reichte ihm einen Kelch mit Wasser, das sie aus dem Krug auf dem Tisch neben der Tür eingeschenkt hatte. »Es wird Ihnen guttun.«
    Ben nahm das Wasser dankbar entgegen, leerte den Kelch in einem Zug und genoss die Kühle, die sich in ihm ausbreitete. Sein Blick wanderte umher, suchte nach Hinweisen darauf, wie lange er in der Entrückung des Drehkörpers gewesen war, und fand keine. Diese unterirdischen Krypten waren erschaffen worden, um die Tränen zu beherbergen, bis diese sicher in ihre Schreine zurückgebracht werden konnten. Sie waren fensterlos und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass die Zeit außerhalb weiterlief.
    »Die Kerzen«, sagte Opaka und nahm den Kelch wieder an sich. Zuerst verstand Ben nicht, was sie meinte. Dann begriff er, dass sie seine Frage in seinem Gesicht gelesen haben musste und ihm einen Hinweis geben wollte. Er konzentrierte sich auf die Kerzen. Seit Bajors einstige Kai ihn hergebracht hatte, waren sie deutlich geschrumpft.
    »War ich den gesamten Nachmittag hier?«, fragte er.
    »Beinahe«, bestätigte Opaka. »Wie Sie inzwischen fraglos erkannt haben, kann der Drehkörper der Seelen sehr anstrengend sein – viel anstrengender als die übrigen Tränen. Von den neun verstehen wir ihn bisher am wenigsten. Er beunruhigt uns am meisten. Nur selten schenkt er uns eine Erfahrung, denn kaum jemand stellt sich willentlich seinem Licht. Nicht einmal jene, die wie Sie hergerufen wurden.« Sie hielt inne und betrachtete sein Gesicht. »Haben Sie gefunden, wonach Sie suchten?«
    Ben antwortete nicht sofort. Opaka hätte ihn nie nach Details gefragt. Drehkörpererfahrungen galten als zu intim, als das man sie mit anderen geteilt hätte. Jeder Suchende musste sie auf eigene Faust und nach bestem Wissen und Gewissen entschlüsseln. Diese jedoch war weit weniger kryptisch gewesen als alle vorherigen.
    »Ich erfuhr, was ich erfahren musste«, antwortete Ben schließlich. »Ich weiß nur nicht, ob ich den an mich gestellten Anforderungen gewachsen bin.«
    Die stämmige Frau senkte den Blick. Ihre Mundwinkel zuckten, doch sie schwieg.
    »Was?«, fragte Sisko. »Keine weisen Ratschläge. Kein ‚Vertrauen Sie auf Ihr eigenes Urteil‘? Kein ‚Folgen Sie dem Pfad, der Ihnen vorherbestimmt ist‘?«
    Sie sah ihn an und hob eine Braue. »Habe ich Ihnen je etwas gesagt, das Sie bereits wussten?«
    »Warum sagen Sie mir dann nicht, was ich noch
nicht
weiß?«
    Opaka betrachtete ihn noch einen Moment. Sorgenfalten erschienen auf ihrer Stirn. Dann hob sie die Hand und ergriff mit Daumen und Zeigefinger sein Ohrläppchen. Sie schloss die Augen. »Atmen Sie«, sagte sie, genau wie bei ihrer ersten Begegnung. »Atmen Sie …«
    Ben atmete durch die Nase aus und langsam wieder ein. Er wartete, nach all den Jahren immer noch fasziniert von dem Talent mancher Bajoraner, die innere Verfassung ihres Gegenübers zu erkennen – selbst wenn dieses einer anderen Spezies entstammte. Jadzia hatte einst spekuliert, es handele sich um eine rudimentäre Form von »Berührungsempathie«, und vielleicht war das die Erklärung. Vielleicht.
    Opaka öffnete die Augen und gab ihn frei. »Angst ist keine Schande«, sagte sie leise.
    »Ich habe keine Angst«, versicherte er ihr.
    »Nicht um sich, nein. Aber Sie sorgen sich zutiefst um die möglichen Konsequenzen der Entscheidungen, die Sie zu treffen haben.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Mit dieser Sorge lebe ich schon mein ganzes Erwachsenenleben.«
    »Und doch war sie nie größer.«
    Ben atmete aus und sah
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