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Entscheidung in Gretna Green

Entscheidung in Gretna Green

Titel: Entscheidung in Gretna Green
Autoren: DEBORAH HALE
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besorgniserregender.
    „Hätten Sie die Güte, wenigstens nachzusehen, ob er in seinem Zimmer ist?“
    „Wie Sie wünschen.“ Sie nahm hastig ihre Hand von seinem Arm, als bedauere sie es, Halt bei ihm gesucht zu haben. „Damit Sie so schnell wie möglich wieder gehen.“
    Er folgte ihr aus dem Zimmer, um sie aufzufangen, falls sie wieder ins Schwanken geriet. Aber ihr Gang wurde mit jedem Schritt fester und zielstrebiger.
    „Ich sehe erst mal in seinem Arbeitszimmer nach“, erklärte Felicity und blieb an einer Tür am Ende des Flurs stehen. „Wenn Oliver über seiner Arbeit sitzt, vergisst er manchmal die Zeit.“
    Sie klopfte leise an die Tür und rief seinen Namen, ohne Antwort zu erhalten.
    „Oliver?“ Langsam öffnete sie die Tür einen Spalt. „Bist du noch wach?“
    Der Geruch verstaubter alter Bücher gemischt mit einer Spur beißender Dämpfe von Chemikalien wehte in den Flur. Ansonsten war es still und dunkel im Raum.
    „Er hat sich wohl ausnahmsweise zeitig zu Bett begeben.“ In Felicitys Ton schlich sich ein leiser Zweifel.
    Sie drängte sich an Hawthorn vorbei und klopfte an die gegenüberliegende Tür, lauter als zuvor, auch ihre Stimme wurde drängender. „Oliver, wach auf! Ich muss dringend mit dir sprechen.“
    Keine Antwort.
    „Er hat einen gesunden Schlaf.“
    Hawthorn fragte sich, ob sie sich damit auch selber beruhigen wollte oder nur ihn. Glaubte sie wirklich noch, dass ihr Neffe im Haus war?
    Felicity vergaß jede Rücksichtnahme und stieß die Tür weit auf. „Oliver, verzeih, wenn ich dich wecke. Aber Mr. Greenwood erhebt ungeheuerliche Anschuldigungen …“
    Der Rest des Satzes verwehte im Dunkel des leeren Schlaf zimmers. Der Lichtschein aus dem Flur erhellte die Umrisse einzelner Möbelstücke und ein unbenutztes Bett.
    „Vielleicht ist er ausgegangen“, erklärte sie und schien ihre Behauptung vergessen zu haben, wonach ihr Neffe keinen nächtlichen Vergnügungen nachging.
    „Mag sein.“
    Auf dem dunklen Bettüberwurf fiel Hawthorn ein weißer Fleck auf. Er drängte sich an Felicity vorbei, trat ans Bett, nahm ein gefaltetes, mit Wachs versiegeltes Papier zur Hand und hielt es ans Licht, um die Worte lesen zu können, die darauf geschrieben waren.
    Mit einer brüsken Bewegung streckte er Felicity den Brief hin. „Das ist an Sie adressiert.“

2. KAPITEL
    Mit zitternden Fingern griff Felicity nach der Nachricht, die Oliver zurückgelassen hatte.
    „Können Sie mir bitte eine Kerze bringen?“, bat sie Hawthorn.
    Bevor sie die Nachricht las, musste sie einen Augenblick zu sich kommen. Nicht nur dass ihr Neffe anscheinend verschwunden war, Hawthorns Gegenwart verwirrte Felicity mehr, als sie je für möglich gehalten hatte. An seiner Seite lauerten allzu verlockende Erinnerungen an gemeinsame Nächte.
    Dies war aber der denkbar ungünstigste Augenblick, an sein aufmerksames und hingebungsvolles Liebesspiel zu denken und an ihre eigene fiebernde Leidenschaft.
    Kurz darauf kehrte Hawthorn mit einer Kerze zurück.
    Den Blick auf die Nachricht in ihrer Hand gerichtet, dachte Felicity an den Brief, den sie erst gestern an Hawthorn geschrieben hatte. In ihrem Schmerz, ihre Affäre vorzeitig beenden zu müssen, hatte sie nur ein paar knappe Zeilen hingekritzelt. Sie hatte ihn nicht kränken wollen, aber ebenso wenig wollte sie falsche Hoffnungen in ihm wecken, sie könne ihre Meinung ändern.
    Ein trauriger Blick aus seinen warm leuchtenden braunen Augen und sein ernsthafter Gesichtsausdruck hätten vermutlich genügt, sie umzustimmen.
    Mit katastrophalen Konsequenzen.
    „Nun?“, drängte er, den Blick auf das Siegel gerichtet. „Wollen Sie ihn öffnen oder nicht?“
    „Natürlich.“ Felicity riss sich aus ihren wehmütigen Grü beleien und brach mit zitternden Fingern das Siegel. „Drängen Sie mich nicht!“
    Bisher hatten sich seine ungeheuerlichen Mutmaßungen bestätigt. Dennoch klammerte sie sich an den Hoffnungsschimmer, Olivers Nachricht könnte ihre Befürchtungen widerlegen.
    Soweit sie wusste, kannte ihr Neffe Ivy Greenwood nur flüchtig. Aber selbst wenn er sie gut kennen und tiefere Empfindungen für sie hegen würde, Oliver neigte keineswegs zu überstürzten Schritten. Niemals würde er mitten in der Nacht nach Gretna Green durchbrennen.
    Andererseits hatte Ivy Greenwood ihn möglicherweise mit ihrem Ungestüm angesteckt, zumal sie mit ihrer Schönheit und ihrem Liebreiz wohl jeden Mann um den Finger wickeln konnte.
    Als sie sich zwang, die Zeilen zu
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