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Entrissen

Entrissen

Titel: Entrissen
Autoren: Tania Carver
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gepackt und zu Boden geworfen. Sie stieß einen wütenden Schrei aus, der kurz darauf in Klagegeheul umschlug.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Anni, aber ihre Worte gingen im Tumult unter.
    Mit dem Baby auf dem Arm zog sie sich in eine Ecke des Hauses zurück. Phil folgte ihr. »Gut gemacht«, lobte er.
    »Rufen Sie den Notarzt«, sagte Anni, ohne sich umzudrehen. »Ich warte draußen.«
    Und sie verließ das Haus, das Baby fest an sich gedrückt. Noch immer drehte sie sich nicht um.
    Niemand sollte ihre Tränen sehen.
     

81
     
    »Wir haben das gesamte Haus durchsucht, Sir«, meldete einer der Uniformierten. »Keine Spur von Marina Esposito. Es befindet sich keine weitere Person im Gebäude. Aber wir haben das hier gefunden.« Er reichte Phil einen Zettel. »Er hing in der Küche an der Wand.«
    Phil traute seinen Augen nicht. Da waren sie alle: Lisa King, Susie Evans, Claire Fielding, Caroline Eades. Darunter noch weitere Namen. Neben jedem Namen stand ein Datum.
Der Entbindungstermin,
dachte Phil. Aber es war der Name ganz unten auf der Liste, der ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    Marina Esposito,
stand dort in einer Handschrift, die anders, aber keineswegs leserlicher war als die der übrigen Einträge. Und daneben:
eine von den Bullen.
    Phil war bemüht, sich die Panik und Verzweiflung nicht anmerken zu lassen, die er empfand. »Sie haben wirklich überall gesucht?«, fragte er den Uniformierten. »Was ist mit Kellerräumen oder einem Speicher?«
    Die Uniformierte schüttelte den Kopf. »Nichts. Wir haben überall gründlich nachgesehen.«
    »Außengebäude?«
    »Auch die haben wir durchsucht. Bis auf ein paar Hühner und Schweine ist da nichts.«
    »Suchen Sie weiter.«
    Phil rannte nach draußen. Hester wurde gerade abgeführt. Er lief zum Streifenwagen, um sie zur Rede zu stellen. Der Polizist, der sie am Arm hielt, ließ sie nicht los.
    »Wo ist sie?«, rief er. »Wo haben Sie sie hingebracht?«
    Doch Hester starrte ihn bloß mit offenem Mund und ängstlichen Augen an.
    Phil fuchtelte mit der Liste vor ihrem Gesicht herum. »Hier«, sagte er und stach mit dem Zeigefinger auf das Papier ein. »Marina Esposito. Hier. Ihr Name. Wo ist sie? Was haben Sie mit ihr gemacht?«
    Hester wich vor ihm zurück und begann zu wimmern. Phil ließ nicht locker.
    »Wo ist sie? Wo ist sie!«
    Hester duckte sich und drückte ihr Gesicht in die Armbeuge eines der Polizisten. »Nein ... nein ... nicht... nicht weh tun ... geh weg, geh weg ...«
    »Wo ist sie ...« Doch Phil war längst klar, dass es keinen Sinn hatte. Hester wusste es nicht.
    Er wandte sich ab.
    Die Polizisten verfrachteten Hester in den Streifenwagen. Phil stand da und sah ihnen nach, sein Herz war so schwarz und schwer wie die Nacht über Wrabness. Was sollte er tun?
     
    Marina schlich weiter, langsam und gebückt. Das Licht wurde immer heller, die Schatten, die um die Ecke fielen, wurden länger. Zu dem Licht kam ein Geräusch. Ein rhythmisches Hämmern.
    Sie drückte sich flach gegen die Wand und hatte den Schraubenzieher fest in der Hand. Dann riskierte sie einen Blick um die Ecke.
    Ringsum an den Wänden des Raumes standen Regale, in denen Konservendosen, Milchtüten und Flaschen mit Mineralwasser lagerten. Es sah aus wie die Speisekammer in einem Bunker. In der Mitte des Raumes kniete eine Gestalt und hämmerte Nägel in eine Holzlatte. Marina kniff die Augen zusammen, um zu erkennen, was dort gebaut wurde.
    Am Boden lagen einige lange Bretter und Maschendraht. Das Holz wurde zu quadratischen Rahmen gezimmert, über die der Draht gespannt wurde.
    Marina erschauerte, aber diesmal lag es nicht an der Kälte. Sie hatte begriffen, was dort entstand.
    Ein Käfig. Ein Käfig für sie.
    Sie schnappte unwillkürlich nach Luft, um sich sofort dafür zu verfluchen.
    Die Gestalt hörte auf zu hämmern und sah auf.
    Der Mann lächelte. Es war kein angenehmes Lächeln.
    »Hallo«, sagte er, »willkommen in deinem neuen Heim.«
     

82
     
    Das Baby war im Krankenwagen in die Klinik gebracht worden. Die Sanitäter hatten nach einer ersten Untersuchung festgestellt, dass es ihr den Umständen entsprechend gutging, sie aber noch einige Tage im Krankenhaus bleiben müsse. Graeme Eades würde benachrichtigt werden.
    Anni saß auf den Stufen vor dem Haus, die Jacke fest um sich gewickelt, darüber eine Decke, und starrte auf den Strand hinaus.
    Phil setzte sich neben sie.
    »Hey«, sagte er.
    Sie nickte, den Blick weiterhin in die Ferne gerichtet.
    »Das
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