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Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters
Autoren: Giovannino Guareschi
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einer Radioantenne. Vielleicht waren Margherita und die Kinder vom Land nach Hause gekommen; und ich kann schmerzliche Szenen nicht mitansehen. Um Mitternacht ging der Mond auf und weckte mich. Einen Moment lang dachte ich daran, doch nach oben zu schweben, um zu sehen, was es da gab und was es da nicht gab.
    Doch dann näherte ich mich meinem Haus. Aber ich habe es nicht betreten. Ich habe am Schlafzimmerfenster gelauscht. Margherita weinte leise. Um so besser, so konnten die Kinder schlafen.
    In einer anderen Nacht war ich dann bei mir zu Hause. Ich trat in mein Arbeitszimmer und sah zu meiner großen Freude, daß alles in Ordnung war. Die Schreibmaschine stand noch offen, und ich drückte mit dem Finger auf eine Taste. Sonderbar: wenn ich durch eine Straßenbahn hindurchschreite, macht mir das nichts aus; aber wenn ich mit dem Finger die Tasten meiner Maschine berühre und sehe, daß sie sich nicht bewegen, macht das einen gewissen Eindruck auf mich.
    Ich setze mich auf meinen Lehnstuhl, schaue meine Bücher an, stehe auf und beginne, wie ich es so viele Jahre lang getan habe, auf und ab zu gehen.
    Ich muß nachdenken. Ich muß mir eine schöne Traumgeschichte für meine Tochter ausdenken. Ich will sie so erziehen, wie ich es richtig finde, und ich erlaube niemandem, sich in ihre Träume hineinzumischen. Der letzte, den ich für sie gemacht habe, war gegen Ende ein bißchen mangelhaft.
    Ich müßte auch einen Traum für Albertino und vor allem einen für Margherita ausdenken. Aber wie stelle ich das an? Ich habe nicht den Mut, mich der süßen Frau meines Ex-Lebens zu zeigen. Ich habe noch die Furchtsamkeit der Novizen.
    Ich dachte mir einen schönen, für eine Schülerin der ersten Volksschulklasse geeigneten Traum aus, dann hörte ich Stimmen im Schlafzimmer.
    Carlotta wollte eben einschlafen, und Margherita erinnerte sie: „Das Gebet für deinen Papa.“
    Das Kind begann zu flüstern... Und ich habe mich ein wenig geärgert. Lästiges Weib, laß das Kind doch schlafen!

    Ich ging nachsehen, wie es meinem Kind in der Schule geht. Ich trat ein, als der Unterricht schon begonnen hatte.
    Die Lehrerin diktierte gerade: „A... IA... U... IU... E... IE…“
    Die Kinder saßen gebeugt, an das Heft und den Bleistift geklammert, und arbeiteten angestrengt.
    Ich sah Carlotta sofort links hinten neben dem Fenster.
    Ich stellte mich hinter sie. Arme kleine Person! Sie quälte sich mit allem: mit dem Papier, mit dem Federstiel, der Feder, der Tinte.
    Ich verstehe das nicht! Die Kinder schreiben mit der rechten Hand, aber sie beschmutzen sich mit Tinte nicht nur die rechte, sondern auch noch die linke Hand, die Stirne und die Nase; wie stellen sie das nur an?
    Als das Diktat beendet ist, beginnt die Lehrerin zu fragen. Ein Mädchen geht zum Katheder und kann geläufig bis zehn zählen. Sie muß eine Gewohnheitsbüfflerin sein. Wer kommt als nächste dran? Mir ist, als sei ich ins Lyzeum zurückversetzt. Die zweite, die zum Katheder gerufen wird, ist ausgerechnet mein Kind. Lehrerin, behandle sie gut, oder ich erscheine dir heute Nacht im Traum als Löwe!
    „Zwei und vier ,“ fragt die Lehrerin. Und mein Kind sieht sie furchtsam an.
    Ich beginne zu knirschen und mich aufzuregen. Zwei und vier! Ist es denn vernünftig, derartige Sachen ein Kind zu fragen, das so klein wie ein Häschen ist?
    Wer hat diese Lehrpläne eingeführt?
    Mein Kind arbeitet mit den Fingern. Es ist zu schwer, guter Gott! „Wehe, wenn jemand vorsagt!“ mahnt die Lehrerin streng.
    Ich möchte schreien: „Sechs! Sechs! Sechs!“
    Aber ich kann es nicht, weil ich Luft bin, ein Nichts bin, durch Straßenbahnen schreite, mich einem Schutzmann auf den Kopf setze, ohne daß man es bemerkt. Ich singe, und niemand kann es hören. Ich kann auf einer Nadelspitze schlafen, und es ist noch Platz übrig. Mein Kind arbeitet verzweifelt mit den Fingern, seine Unterlippe deutet auf Sturm. Wenn Carlotta nicht antworten kann, wird man sie vielleicht bestrafen.
    “Sechs! Sechs! Sechs!“ rufe ich verzweifelt.
    „Sechs“, antwortet mein Kind.
    „Wer hat vorgesagt?“ fragt die Lehrerin streng.
    Auch sie muß es gehört haben, zwei Schritte von mir.
    Aber da sie nicht an Wunder glaubt, sagt sie lächelnd: „Brav!“
    Ich habe mein Kind nach Hause begleitet. Unterwegs erzählt es seiner Mutter, daß die Lehrerin „brav“ zu ihm gesagt hat. Und ich stürzte mich kopfüber gegen eine Straßenbahn, dann flog ich wieder auf, stieg wie der Blitz bis zum siebenten
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