Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Enthuellungen eines Familienvaters

Enthuellungen eines Familienvaters

Titel: Enthuellungen eines Familienvaters
Autoren: Giovannino Guareschi
Vom Netzwerk:
erklärte ich ihr und senkte befangen den Kopf. „Es handelt sich um allzu intime Dinge.“
    Zehn Seiten handelten von der Dame. Sie begannen mit den ersten Versen des süßen Gedichtes: „Zwischen dem zweifachen Band — aus Ginsterbüschen gewoben — senkst von Gipfeln droben — Straße, du dich ins Land...“ Da war die Begegnung, da waren meine Träume, eine auszugsweise Schilderung ihrer Schönheit, lyrische Abschnitte voll von Liebe, Sehnsüchte nach langen Küssen und schmachtenden Zärtlichkeiten. Das Ganze endete poetisch, wie es begonnen: „Gräfin, was ist unser Leben? — Ein Schatten, ein flüchtiger Traum — Es endet, begann es doch kaum — Laß Lieb’ ihm Unsterblichkeit geben!“
    „Gute Nacht, mein Herr“, hauchte das holde Geschöpf, seine weiße Hand wurde mir hingestreckt, und der Busen hob sich, daß er fast den anbetungswürdigen Mund erreichte. „Gute Nacht, Herrin“, flüsterte ich schmachtend und küßte die weiße Hand.
    Am nächsten Morgen kam ich zur Villa. Der Gärtner wusch hinter dem Haus Hemden in einem Bottich. „Haben Sie den Beruf gewechselt?“ fragte ich scherzend und bot ihm eine Zigarre an.
    „Man muß sich’s einrichten“, antwortete das Männchen.
    Wir sprachen von dem und jenem; mich aber drängte es, etwas über die Dame zu erfahren. „Ist sie ausgegangen?“ fragte ich gesprächsweise. Der Gärtner schüttelte den Kopf, dann verstummte er für eine Weile. Endlich blickte er sich um und flüsterte mir geheimnisvoll zu: „Sie muß verliebt sein.“
    „Verliebt?“
    Das Männchen nickte mit dem Kopf.
    „Den ganzen Tag blättert sie in einem vollgeschriebenen Heft und fragt immer eine gewisse Gräfin, was unser Leben sei, und sagt dann, es sei ein Schatten und ein flüchtiger Traum, und schließt damit, daß nur an der Liebe etwas dran sei. Ist es von Ihnen?“
    Ich zuckte gleichgültig die Schultern. Dann fragte ich gleichgültig: „Was für ein Mensch ist sie?“
    Das Männchen breitete die Arme aus und rief: „Frauen, Frauen! Wenn Sie wollen, daß ich Ihnen die Wahrheit sage: für mich sind die Frauen alle gleich.“
    „Ich verstehe, ich verstehe“, sagte ich. „Wissen Sie, ob sie ausgeht?“ Er wußte es nicht.
    Eine glückliche Eingebung riet mir, mich gegen Abend am Fuß des Alleebaumes niederzulassen; die Dame erschien alsbald in einem amarantfarbenen Kleid und hielt mir das intime Tagebuch hin. „Laß Lieb’ ihm Unsterblichkeit geben“, seufzte sie, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Der Himmel war ganz in Feuer getaucht. „Ich bin so unglücklich“, schluchzte die Dame. „Ihre Worte haben mich in Verwirrung gestürzt... Sie haben mich aufgewühlt, mein Herr!“
    „Sie können nicht so leiden wie ich“, sagte ich mit einem verzweifelten Lächeln.
    „Schweigen Sie, schweigen Sie, um Gottes willen!“
    Ich gab dem Baum einen Fußtritt und zerwühlte mir die Haare über der Stirn.
    „Verdammte Welt!“ rief ich wütend aus.
    Die Dame blickte mit Tränen in den Augen gen Himmel.
    „Weit weggehen, wo nur die Sterne mich sehen können... Weit weg von diesen trägen und bösartigen Leuten... Leben! Mein Leben leben!“ rief sie verzweifelt. „Gute Nacht, Herr Giovannino...“
    „Gute Nacht, Herrin... Morgen abend ?“
    „Wer weiß...“
    Ich blickte ihr lange nach.
    Später traf ich im Dorf den Gärtner mit einem Sack Kartoffeln auf dem Rücken; ich veranlaßte ihn, sich mit mir in eine Kneipe zu setzen, und gab ihm zu trinken. Ich wollte alles über die Dame wissen, die mit solcher Gewalt in mein Leben eingedrungen war. Ich begleitete ihn nach Hause, und wir plauderten viel.
    „Was für ein Mensch ist sie?“ fragte ich ihn endlich.
    Der Mann blieb stehen.
    „Ein böser!“ sagte er finster. „Wenn ich sie ein einziges Mal so behandeln könnte wie ihren verdammten Köter, würde ich mich wie neugeboren fühlen. Nichts ist ihr recht, alles läßt sie zwanzigmal machen, sie ist reich und geizig wie eine böse Hexe, Gottes Donner über sie!“
    Nun waren wir vor der Villa angekommen: ein Fenster war noch erleuchtet, und irgend jemand spielte Klavier.
    „Man sieht ihren Gatten nie“, sagte ich. „Ist sie vielleicht Witwe?“
    „Nein, leider nicht!“ seufzte das Männchen.
    „Wer ist ihr Mann?“ fragte ich gleichgültig.
    „Ich“, murmelte das Männchen, als wollte er sich entschuldigen.
    Ich ging eilends fort, während Chopin-Noten durch die Nachtluft flatterten.
    Margherita sagte, man müsse die Freiheit ausnützen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher