Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfuhrt

Entfuhrt

Titel: Entfuhrt
Autoren: Koppel Hans
Vom Netzwerk:
Hunderter«, stellte der Viertelmilliardär fröhlich fest und stellte sechs Bier auf den Tisch.
    Er schob drei zu Calle hinüber.
    »Hätten wir nicht jeder mit einem anfangen können?«, fragte dieser.
    »Keine Sorge, ich zahle«, meinte Jörgen.
    »Nobel.«
    »Das gibt nur ein ewiges Gerenne, das weißt du selbst. Und jetzt erzähl von deinen Erfolgen.«
    Calle berichtete vom Anruf der Redaktionschefin. Wie er sich mit eingezogenem Hals den Telefonhörer ein Stück vom Ohr weggehalten habe, um sein Trommelfell zu schonen, wenn die Schimpfkanonade losginge. Und wie dann alles eine wunderbare Wendung genommen habe.
    »Über Selbstmorde wird also nicht geschrieben?«, fragte Jörgen.
    »Nein«, meinte Calle. »Es gibt immer irgendwelche deprimierten Leute, die sich durch derartige Lektüre inspirieren lassen. In der Art von: Ich will auch in die Zeitung kommen.«

    »Selbst wenn es mein Ende bedeutet«, ergänzte Jörgen.
    »Genau. Merkwürdig, dass sich die Redaktionschefin überhaupt bemüßigt fühlte, mich darauf aufmerksam zu machen. Das zeugt nicht grad von Wertschätzung, muss ich schon sagen.«
    »Allerdings. Skål.«
    »Skål.«
    Sie leerten das erste Glas, schoben es beiseite und griffen zum nächsten. Beruhigend wie ein Babyfläschchen.
    »Selbstmord steckt also an?«, meinte Jörgen nachdenklich.
    »Ja. Genau wie Seekrankheit«, antwortete Calle.
    »Kannst du dich noch an das Mädchen aus der Schule erinnern, das sich das Leben genommen hat?«
    »Wer?«
    »Die Tochter des Psychodoktors. Annika.«
    »Nein.«
    »Wohnte in diesem weißen Haus am Wasser«, sagte Jörgen. »Genau auf der Landzunge. Schwarzer Hund, der den Zaun entlanglief und einen anbellte, wenn man vorbeiradelte.«
    »Ach die. Hat sich erhängt, nicht wahr?«
    »Ich glaube, ja. Auf die Details ist niemand eingegangen. Die Mutter war ziemlich gut aussehend, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Das hat mich schon damals nicht interessiert«, meinte Calle.
    »Der Vater sah auch gut aus. Ein bisschen wie Richard Gere.«

    »Da kann ich dir schon eher folgen.«
    »Die Tochter hingegen war recht durchschnittlich«, fuhr Jörgen versonnen fort.
    »Meine Güte, wie das klingt.«
    »Möglicherweise wäre aus ihr ja noch eine Schönheit geworden, wer weiß. Aber ich glaube nicht, dass sie je so sexy ausgesehen hätte wie ihre Mutter. Erinnerst du dich nicht an sie? Das war die Frau, mit der alle im Viertel gerne ins Bett gegangen wären. Sie hat immer die Kiesauffahrt geharkt.«
    Calle wurde stutzig, begann zu grübeln. Kies harken. Die ältere Frau in Hittarp, die ihm erklärt hatte, wo Michael Zetterberg wohnte. Sie war ihm irgendwie bekannt vorgekommen.
    »Der Hund hat sich immer wahnsinnig aufgeführt, weil alle Jungs dort vorbeigeradelt sind, um sie anzuglotzen«, meinte Jörgen.
    Sie hatte Kies geharkt. Genau wie früher. Das war Annikas Mutter gewesen.
    Jörgen schnalzte vor dem Gesicht seines Freundes mit den Fingern.
    »Calle? Hallo? Hörst du zu?«

    Das Kabel verschwand im Fuß der Stehlampe. Dreißig Zentimeter vom Fuß entfernt war der Fußschalter, aber Ylva hatte die Lampe immer mit der Hand ausgemacht, um das Bett nicht verlassen zu müssen. Hinter dem Schalter
kamen noch mindestens anderthalb Meter Kabel, das sie unter das Bett geschoben hatte, damit es nicht unordentlich aussah.
    Wenn der Schalter ausgeschaltet war, gelangte kein Strom in die Lampe.
    Gösta und Marianne hatten sie mithilfe eines Elektroschockers überwältigt. Jetzt würde Ylva es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen.
    Sie war keine Hure. Sie war die Mutter, die vom Steg sprang.
    Ylva stieg aus dem Bett und ging in die Küche. Es war stockfinster, aber sie kannte jeden Winkel ihres begrenzten Raums. Sie nahm Schere und Messer und ging zurück zum Bett. Die Lampe brannte nicht, also passierte kein Strom den Fußschalter.
    Sie kniete sich hin, tastete nach dem Kabel und schnitt es so nahe am Lampenfuß ab wie möglich. Mithilfe des Messers legte sie das Kupfer frei und bog die beiden Kabelenden auseinander, sodass ein Abstand von ein paar Zentimetern entstand. Dann schob sie das Kabel unter den Lampenfuß.
    Ab jetzt durfte sie die Lampe auf keinen Fall mehr anschalten. Erst wenn der Moment gekommen war.
    Sie ging zurück zur Kochnische, legte die Schere und das Messer deutlich sichtbar wieder hin. Sie wurde schwer bestraft, wenn sie gegen diese Anordnung verstieß.
    Sie zog die Schublade auf und nahm die Gabel heraus, das einzige Besteck, das man ihr zum Essen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher