Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entführung des Großfürsten

Entführung des Großfürsten

Titel: Entführung des Großfürsten
Autoren: B Akunin
Vom Netzwerk:
der Zimmer sehr genau. Wahrscheinlich hat er den Park durchforscht und geeignete Stellen für den Hinterhalt ausgespäht. Es lag ja die V-Vermutung nahe, daß man nach der ermüdenden Bahnfahrt mit dem Kind spazieren gehen würde. Niemand außer Somow konnte dem Doktor mitteilen, daß Sie mit mir zusammenarbeiten.«
    Ich schwieg. Fandorins Worten wußte ich nichts entgegenzusetzen, aber ich hatte mir meine eigene Meinung über Somow gebildet, von der ich mich nicht trennen mochte.
    »Ich sehe, Sie zweifeln? Na gut, v-vergewissern wir uns. Sie sagten, daß Somow in Ihr Zimmer umquartiert wurde? Also hat er dort ein Telephon. Rufen Sie ihn an. Sagen Sie, daß wir uns in einer ausweglosen Lage befinden und seine Hilfe benötigen.«
    »Und dann?«
    »Dann geben Sie mir den H-Hörer.«
    Ich nannte dem Fräulein die Nummer, Fandorin legte das Ohr an den Zweithörer, und wir warteten. Sehr lange ertönte nur das Amtszeichen, und ich dachte schon, daß Somow wahrscheinlich in einem entfernten Teil des Schlosses zu tun hatte, aber nach etwa drei Minuten hörte ich ein Knacken, dann sagte Somow, ganz außer Atem: »Eremitage. Ja bitte.«
    »Hören Sie mir zu und sagen Sie nichts. Erkennen Sie meine Stimme?«
    »Ja«, antwortete er nach einer Pause.
    »Sind Sie noch bereit, uns zu helfen?«
    »Ja.« Diesmal gab es nicht das geringste Zaudern.
    »Wir müssen uns treffen.«
    »Ich … Ich kann jetzt nicht. Sie haben keine Vorstellung, was hier los ist! Mr. Carr wurde tot aufgefunden! Gerade eben! Ich gehe in sein Zimmer, da liegt er tot da, in der Brust ein Messer! Ein Küchenmesser zum Zerteilen von Weißfisch! Die Polizei stellt das Haus auf den Kopf, durchwühlt den Garten!«
    »Fragen Sie, wann er getötet wurde«, raunte Fandorin.
    »Wann wurde er getötet?« wiederholte ich.
    »Was? Woher soll ich … Doch, ich weiß es! Ich habe gehört, wie die Herren von der Hofpolizei sagten, daß der Leichnam noch ganz warm ist.«
    »Dieser Lind ist kein Mensch, sondern ein Teufel!« flüsterte ich, wobei ich die Hand auf die Sprechmuschel legte. »Er rechnet weiter ab!«
    »Fragen Sie, ob Emilie zurück ist.«
    »Sagen Sie, Kornej Selifanowitsch, ist Frau Déclic wieder da?«
    »Mademoiselle? Wurde sie gesehen?« Somows Stimme zitterte. »Wissen Sie etwas über sie?«
    Nicht von ungefähr, nicht von ungefähr war er so aufgeregt. Mir fiel sofort ein, wie er Emilie mit seinen Französischlektionen belästigt hatte. Vielleicht hatte Fandorin doch nicht so unrecht mit seinem Verdacht?
    »Sollte Banville es gewagt haben, heimlich in die Eremitage einzudringen?« fragte ich Fandorin. »Das ist doch unwahrscheinlich!«
    »Selbstverständlich ist es unwahrscheinlich«, bemerkte er gelassen. »Somow hat Carr umgebracht. Er kennt sich ja mit Küchenmessern bestens aus.«
    »Hallo, Sind Sie noch da?« rief Somow. »Afanassi Stepanowitsch, wo finde ich Sie?«
    Fandorin nahm mir den Hörer aus der Hand.
    »Fandorin am Apparat. Guten Tag, Somow. Ich möchte mich mit Ihnen treffen. Wenn Ihnen das Leben Seiner Hoheit am H-Herzen liegt, verlassen Sie sofort über den Hinterausgang das Haus, gehen durch den Park und sind in dreißig Minuten, nicht später, am Donskoje-Friedhof, an der Mauer gegenüber vom Eingang. Jede Verzögerung ist tödlich.«
    Und er hängte ein, ohne die Antwort abzuwarten.
    »Wozu diese Eile?« fragte ich.
    »Ich will nicht, daß er Emilie begegnet, die jede Minute in der Eremitage ei-eintreffen muß. Vielleicht kommt es Somow ja in den Sinn, die gefährliche Zeugin zu beseitigen. Sie haben selbst gehört, wie beunruhigt er war. Nach der Kaltblütigkeit zu urteilen, mit der er Carr umgebracht hat, war Ihr unschätzbarer Gehilfe drauf und dran, sich aus dem Staub zu machen.«
    Ich schüttelte den Kopf, keineswegs überzeugt, daß Somow der Mörder von Carr war.
    »Das wär’s, Afanassi Stepanowitsch.« Fandorin steckte seinen kleinen Revolver in die Jacke, entnahm der Reisetasche einen größeren und schob ihn hinter den Gürtel. »Jetzt trennen sich unsere W-Wege. Ich werde mich mit Somow treffen und mit ihm reden, wie es sich gehört.«
    »Was heißt das – wie es sich gehört?«
    »Ich werde ihm sagen, daß er entlarvt ist, und ihn vor die Wahl stellen: entweder lebenslange Z-Zwangsarbeit oder er hilft uns bei der Ergreifung Linds.«
    »Und wenn Sie sich irren und er unschuldig ist?«
    »Das werde ich an seinem V-Verhalten sehen. Aber Somow ist der Spion, da bin ich sicher.«
    Fandorin ging durch das Zimmer, ich wich ihm
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher