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Engelsrache: Thriller

Engelsrache: Thriller

Titel: Engelsrache: Thriller
Autoren: Scott Pratt , Christian Quatmann
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denn?«
    »Alle scheinen zu glauben, dass Laura eine Heilige war. Dabei war sie doch bloß ein dummes Flittchen. Hätte ja zu meinen Bedingungen in die Scheidung einwilligen können. Was ich von ihr verlangt habe, war ganz einfach. Selber schuld.«
    »Halten Sie die Klappe«, sagte ich. Die Vorstellung, ihm sämtliche Zähne aus der Fresse zu schlagen, nahm allmählich immer konkretere Formen an. Dann ging die Tür auf, und die Aufseher kamen herein und führten ihn ab. Einer von ihnen, ein kahl rasierter, stiernackiger junger Kerl, musterte mich von oben bis unten.
    »Sie sind doch Strafverteidiger?«
    »Ja, richtig.«
    »Dann interessiert es Sie vielleicht, dass vorhin eine alte Dame in der Zentrale angerufen und gemeldet hat, dass ihre Katze draußen am See einen Pimmel gefunden hat. Bestimmt taucht auch bald eine Leiche auf.«
    »Einen Pimmel? Sie meinen einen Penis?«
    »Wenn Ihnen ›Penis‹ lieber ist. Ich sage Pimmel.«
    »Und?«
    »Ich dachte, ich kann es Ihnen ja mal sagen. Gibt doch für Leute wie Sie immer was zu tun, wenn irgendwo eine Leiche auftaucht. Wie bei einem Bestatter.«
    Er sah seinen Kollegen an und zwinkerte ihm zu. Die beiden fingen laut an zu lachen. Selbst Johnny Wayne musste grinsen. Als die drei weg waren, blieb ich noch ein paar Minuten an der Wand stehen. In meinem Kopf hallten das Gelächter der Aufseher und Johnny Waynes widerliche Bemerkung immer noch nach. Dann wurde das Klirren der Ketten immer leiser. Als ich durch das Stahl-Beton-Labyrinth zum Ausgang zurückging, hatte ich Magenkrämpfe und verspürte einen unangenehmen Druck in der Schläfengegend. Ich hatte die Nase bis obenhin voll davon, die Johnny Waynes dieser Welt zu verteidigen, ich hatte es satt, mich von Kretins wie den beiden Aufsehern verarschen und auslachen zu lassen. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass ich meinen Job als Strafverteidiger ohnehin demnächst an den Nagel hängen wollte. Nur noch ein knappes Jahr, dann konnte ich mich endlich mit anderen Dingen beschäftigen, dann war es endlich vorbei mit Dreckstypen wie Johnny Wayne und mit beschissenen Vollzugsbeamten.
    Auf dem Weg zum Ausgang versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Du darfst das nicht so nahe an dich heranlassen. Du tust doch bloß deinen Job. Ich zwang mich, über etwas Angenehmeres nachzudenken: meinen Geburtstag, den ich mit meiner Frau Caroline und den Kindern feiern wollte, den wichtigsten und wundervollsten Menschen in meinem Leben. Ich dachte an die Geburtstagstorte und überlegte, was ich mir eigentlich für mein neues Lebensjahr wünschen sollte. Als ich dann durch die Eingangstür in den Regen hinaustrat, fiel mir etwas ein, und ich musste lächeln. Die Chancen, dass der Wunsch in Erfüllung gehen würde, waren zwar verschwindend gering. Aber warum eigentlich nicht?
    Mein Geburtstagswunsch für das vor mir liegende Lebensjahr war so schlicht wie egozentrisch. Vor dem Ende meiner Berufstätigkeit als Strafverteidiger wünschte ich mir nur noch einen – einen einzigen – unschuldigen Mandanten.
    12. April
    8:45 Uhr
    Eine Stunde später saß ich auf dem Parkplatz des Bezirksgerichts von Washington County im Zentrum von Jonesborough in meinem Pick-up. Das rund hundertfünfzig Kilometer nordöstlich von Knoxville gelegene Bilderbuchstädtchen schmiegte sich zwischen die umliegenden Hügel. Ich blickte über die Straße auf das erst vor einigen Jahren erbaute National Storytelling Center, dem Jonesborough seither einen gewissen überregionalen Ruhm verdankte. Denn jedes Jahr im Oktober kamen in dem Städtchen Tausende von Geschichtenerzählern zusammen, um dort im Rahmen eines Festivals ihre Einfälle zum Besten zu geben. Als mir bewusst wurde, dass sich das Storytelling Center direkt neben dem Gericht befand, musste ich lächeln. Gelogen wurde nämlich an beiden Orten, was das Zeug hält. Während draußen die Regentropfen gegen die Windschutzscheibe prasselten, öffnete ich das Handschuhfach, nahm eine Flasche Mundwasser heraus und gurgelte. Ich hatte mir angewöhnt, ständig Mundwasser mitzuführen, weil ich tagsüber häufig einen bitteren Geschmack im Mund hatte, vor allem, wenn ich vor einem Richter oder einem Geschworenengremium auftreten musste. Begleitet wurde diese Unpässlichkeit meist von einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend und der ständigen Angst vor einem drohenden Unheil. Dieses Gefühl verschwand nur manchmal, wenn ich mit meiner Frau und meinen Kindern zusammen war, aber es war nie fern. Auch in meinen
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