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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zu ihrem Platz ins Wäldchen gefahren, um Brombeeren zu pflücken, die sie dann zu Marmelade verarbeitete und in Gläser füllte, die er beschriftete. Vieles hatten sie zusammen unternommen. Wieder einmal wurde ihm schmerzlich die Lücke bewusst, die ihr Tod hinterlassen hatte.
    Sie hatte immer geglaubt, sie sei nicht gefährdet, weil sie sich vorwiegend von Produkten aus dem eigenen Garten ernährte, kaum Alkohol trank, nicht rauchte und sich viel an der frischen Luft bewegte. Stets hatte sie auf eine vernünftige Lebensführung geachtet und ihn sogar dazu überredet, auf ihre alten Tage einen Tanzkurs zu besuchen. Aber all diese Vorbeugungsmaßnahmen hinderten die heimtückische Krankheit nicht daran, sich in ihrem Körper einzunisten.
    Langsam und im Verborgenen war der Krebs gewachsen. Am Anfang nur eine einzige winzige Zelle, die aus der Art geschlagen war, teilte sie sich stetig und wucherte unbemerkt im Inneren weiter. Als Ellie den Knoten entdeckte, war das Wachstum bereits eskaliert und konnte nicht mehr aufgehalten werden.
    Natürlich hatten sie beide anfangs an eine Heilung geglaubt. Ellie tat alles, was ihr von den Ärzten empfohlen wurde. Überstand zahlreiche Chemotherapien, obwohl sie furchtbar unter den Nebenwirkungen litt. Hans war bei ihr gewesen und hielt ihr den haarlosen Kopf, wenn sie sich übergeben musste. Als sie den Zytostatika, die größeren Schaden angerichtet hatten als den erhofften Nutzen gebracht, schließlich nicht mehr vertraute, hatte sie es mit Naturheilmitteln versucht. Doch der Krebs war nicht mehr aufzuhalten gewesen.
    In Büchern suchte er nach Antworten. Er wollte verstehen, was in Ellies Körper vor sich ging. Bei der Lektüre stieß er auf Erklärungen, woran die Natur im Allgemeinen krankte. Weshalb der Mensch, der sich so gern als Herrscher von Himmel und Erde empfand, nicht imstande war, das Böse auszurotten, davon bekam er eine leise Ahnung.
    Er las viel über das Phänomen des exponentiellen Wachstums, das im Gegensatz zum organischen Wachstum stand und ihm wieder einmal klarmachte, wie sehr das Wesen der Dinge miteinander verbunden war.
    Das exponentielle Wachstum, das sich im Mikrokosmos von Ellies Körper abspielte, war auch in anderen Phänomenen der Natur zu beobachten. Nach diesem Konzept entstanden Lawinen oder wuchsen Bakterienkulturen, so lange sie genug Nahrung fanden. Es war das Muster, nach dem die meisten Katastrophen abliefen. Dies waren Symptome einer gefährdeten Welt und der Mensch hatte in Wirklichkeit wenig Mittel, dagegenzusteuern.
    Eine Erkenntnis, die alles andere als tröstlich war.
    Nach dem Frühstück zog er sich an und machte sich fertig für seinen täglichen Rundgang. Die Bewegung tat ihm gut, aber noch mehr interessierte ihn der Fortschritt der Bundesgartenschauarbeiten, die in ihrer Endphase angekommen und so gut wie abgeschlossen waren. Die Eröffnungsfeier sollte in wenigen Tagen stattfinden. Er war bei den Ersten gewesen, die sich bereits vor einem Jahr eine Dauerkarte gekauft und als Dankeschön eine eigens für die BUGA gezüchtete Rose namens ›Schöne Koblenzerin‹ erhalten hatte. Die mittelgroße Beetrose mit ihren roten Blüten und der weißen Unterseite war als florale Botschafterin gedacht, weil sie die Stadtfarben von Koblenz repräsentierte. Als ehemaliger und passionierter Gärtner war er an allem interessiert, was mit Landschaftsgartenbau zu tun hatte. Besonders verfolgte er, wie man die einzelnen Lose bepflanzte. Bei dieser ›Olympiade der Gärtner‹, wie man das Großereignis auch nannte, hatten sich die Organisatoren Mühe gegeben, das konnte er durchaus beurteilen. Manches hätte er anders gemacht, sicher. Besonders die zahlreichen Baumfällungen hatte er mit Argwohn beobachtet.
    Zwar waren etliche Ersatzpflanzungen vorgenommen worden, jedoch konnte ein junger Baum niemals einen alten ersetzen, der viele Jahre oder Jahrzehnte lang gewachsen war. Aber vielleicht ging kein Weg daran vorbei, dass das Alte weichen musste, um Platz zu schaffen für das Neue.
    Im gesamten Stadtbild hatte sich etliches verändert. Das Schloss, lange nur als Behördensitz genutzt und nicht für die Allgemeinheit zugänglich, sollte endlich wieder für die Bürger geöffnet werden. Die Zirkularbauten waren mit Kastenlinden, Stauden und einem Wasserbecken verschönert worden. Den Schlossgarten hatte man in Anlehnung an die Pläne des preußischen Gartenbaumeisters Peter Joseph Lenné neu angelegt. Auf dem großzügigen Gelände war auch ein
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