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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gigantisches Zuschussgeschäft bezeichnet, das Millionen Euro verschlinge. Francas Tochter Georgina beschwerte sich öfter darüber, dass es in der Schule nur dieses eine Thema gab, um das sich alles drehte.
    Als ob es nicht Wichtigeres auf der Welt gäbe als ein paar Blumenbeete, hatte sie aufmüpfig bemerkt. Sie engagierte sich sehr für Kinder in der Dritten Welt und hatte sogar eine Patenschaft übernommen, die sie – unterstützt von ihrer Mutter – von ihrem Taschengeld finanzierte.
    Auch Georgina bemängelte die hohen Kosten, die die BUGA bisher verursacht hatte. Besonders die Kabinenseilbahn über den Rhein, die eigens gebaut wurde, um den Besuchern lange Wege vom Deutschen Eck bis zur Festung Ehrenbreitstein zu ersparen, hatte ihr manche sarkastische Bemerkung entlockt. Da nutzte es auch nichts, dass Franca ihr einen Zeitungsausschnitt vorlegte, indem mitgeteilt wurde, die Seilbahn soille nach drei Jahren wieder abgebaut werden.
    »Du glaubst doch sonst nicht alles, was in der Zeitung steht«, hatte Georgina ihrer Mutter spöttisch grinsend geantwortet.
    Der Bau der Seilbahn war von Anfang an kontrovers, stand er doch im Konflikt mit den Auflagen der UNESCO, denen zufolge derartige bauliche Eingriffe im oberen Mittelrheintal verboten waren. Mit seinen vielen Schlössern und Burgen gehörte das Gebiet zum Weltkulturerbe und dieser herausragende Status sollte unbedingt erhalten bleiben. Schließlich einigte man sich auf einen Kompromiss, der besagte, dass die Seilbahn nach drei Jahren Betrieb wieder abgebaut werde. Doch ob es dabei blieb? Die Seilbahn hatte sich bereits kurz nach Inbetriebnahme im letzten Sommer als besondere Attraktion erwiesen. Sogar Hochzeiten waren in luftiger Höhe geschlossen worden.
    Franca hatte oft und heftig mit ihrer Tochter über dieses Thema diskutiert. Sie schätzte Georginas kritische Einstellung, denn gewöhnlich hatten 16-jährige Mädchen andere Dinge im Kopf und kamen kaum auf die Idee, mit ihrem Taschengeld arme Kinder in der Dritten Welt zu unterstützen. Es war allemal besser, sich mit Problemen außerhalb des eigenen Gesichtsfeldes zu befassen, als mit all den erschreckenden Dingen, die Jugendlichen einfielen, mit denen sie als Polizistin immer wieder konfrontiert wurde.
    Auch Franca sah nicht alles rosig, was die Bundesgartenschau betraf. Besonders die erwartete Besucherzahl von zwei Millionen wagte sie infrage zu stellen. Dennoch freute sie sich darauf, dass sie bald Gelegenheit haben würde, all die Neuerungen und Veränderungen rund um das Schloss, das Deutsche Eck und auf der Festung Ehrenbreitstein von Nahem zu begutachten.
    An einem Kiosk kaufte Franca die Regionalzeitung, bevor sie sich auf den Weg ins Polizeipräsidium am Moselring machte.
    Als sie zur Tür hereinkam, bemerkte sie die kleine Versammlung in ihrem Büro. Hinterhuber saß an seinem Schreibtisch. Er hatte die Hände hinterm Kopf verschränkt. Die dunklen Locken fielen ihm in die Stirn und Franca stellte mit Genugtuung fest, dass sich darin ein paar Silberfäden eingeschlichen hatten. Auch Hinterhuber wurde älter.
    Geduldig hörte ihr jüngerer Teamkollege, mit dem sie schon manche Schlacht geschlagen hatte, dem alten Schröder zu, der kurz vor der Pensionierung stand und der öfter bei ihnen im Büro vorbeikam. Bei diesen Gelegenheiten erzählte er gern Geschichten von früher, als das Erste Polizeirevier noch am Münzplatz stationiert war – die sogenannte Koblenzer ›Davidswache‹ – und die leichten Mädchen jung und knackig und ihre Zuhälter umgänglich waren. Offen trauerte er den Zeiten nach, als Polizei und Kleinkriminelle ein friedliches Miteinander pflegten und die Ganovenehre noch etwas galt.
    Im Hintergrund gurgelte die Kaffeemaschine, das Einstandsgeschenk der neuen Praktikantin Clarissa.
    »Ich sag’s ja. Alles geht den Bach runter«, äußerte Schröder gerade.
    Clarissa, die an Hinterhubers Schreibtisch lehnte und dem Gespräch interessiert zuhörte, trug eine hautenge Jeans und ein bauchfreies neongelbes T-Shirt, unter dessen Ausschnitt ein schwarzer BH-Träger hervorlugte. Sie war Studentin der Polizeifachhochschule, was bedeutete: vollgepumpt mit theoretischem Wissen. Mit der Praxis haperte es etwas, aber sie machte sich bis jetzt ganz gut, war aufmerksam und offenkundig darum bemüht, von den Erfahrungen der älteren Kollegen zu lernen.
    »Hab ich was verpasst?«, fragte Franca und legte die Zeitung auf das Chaos von Papierstapeln, Mappen und Akten auf ihrem
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