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Engelskraut

Engelskraut

Titel: Engelskraut
Autoren: Gmeiner-Verlag
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leid«, erwiderte Franca.
    Ludmilla hob einen Finger an den Mund, eine Geste, an die sich Franca plötzlich in aller Deutlichkeit erinnerte. Ludmilla hatte die Angewohnheit gehabt, ihre Fingernägel bis auf die Nagelhaut abzukauen. Sie war deswegen öfter von der Lehrerin getadelt worden. Doch heute sahen ihre Fingernägel gepflegt aus. Als sie sich offenbar ihres Tuns bewusst wurde, nahm sie den Finger von den Lippen weg.
    »Das braucht dir nicht leid zu tun. Das Arbeiten dort war nicht gerade ein Zuckerschlecken. Stets musste man sich nach den Wünschen des Chefs richten. Der hatte vielleicht antiquierte Ansichten!« Sie stieß Luft aus, wobei sie ein wenig die Backen aufblies. »Ich hätte viel lieber mehr mit Bioanbau gemacht, aber das ist noch immer unkonventionell, weil zeit- und kostenintensiv. So was passte meinem Chef gar nicht. Das hielt er für Spinnerei. Mit seinem Konzept ist er aber nicht allzu weit gekommen, wie man gesehen hat.« Ein hämisches Grinsen stahl sich in ihr Gesicht.
    »Ist der Unterschied denn wirklich so groß?«
    Milla nickte. »Als Biogärtner arbeitet man nicht mit mineralischen Düngern und vor allem nicht mit Pestiziden, die die Struktur der Pflanzen verändern, wie Studien eindeutig ergeben haben. Eine Pflanze ist ein Lebewesen mit einer eigenen Persönlichkeit, die Heilkräfte in sich trägt, die erhalten bleiben sollen. Ich hab mich damit ziemlich intensiv beschäftigt. In unserer hoch technisierten Welt sind solche natürlichen Dinge in den Hintergrund geraten. Aber schon Hildegard von Bingen hat die Vorzüge und Heilkräfte der Pflanzen beschrieben. Darauf sollte man sich besinnen. Im Grunde können damit auf natürliche Weise viele Leiden geheilt werden. Oder zumindest gelindert.«
    Franca vernahm deutlich den Enthusiasmus in Ludmillas Stimme.
    »Was auch interessant ist, sind essbare Blüten. Die sind bei Gourmetköchen äußerst beliebt und das nicht nur wegen der hübschen Dekoration. Da hätte man was draus machen können, als Gärtnerei. Aber wer nicht will …«, sie hob die Schultern. »Erinnerst du dich an mein Elternhaus?« Fragend blickte sie Franca ins Gesicht. Als diese nicht antwortete, fuhr Milla fort: »Im Garten probiere ich allerhand aus. Du musst mich unbedingt mal besuchen.«
    Franca nickte lächelnd. »Also freust du dich auch auf die BUGA?«
    Unverzüglich trübte sich Ludmillas Blick. »Glaubst du wirklich, das, was die Koblenzer da veranstalten, hat noch irgendwas mit Natur zu tun?«
    »Aber die vielen Blumen und Pflanzen sind doch Natur.«
    »Gezähmte Natur«, erwiderte sie vehement. »Künstlich erzeugte Natur. Eine reine Show. Das ist nicht das, was mich interessiert.«
    »Und was interessiert dich?«
    »Das Urwüchsige, das, was unsere Vorfahren uns mitgegeben haben. Das Wissen um Pflanzen und Tiere. Aber davon will man bei den BUGA-Verantwortlichen nichts hören. Da geht es nur um noch spektakulärer, noch aberwitziger, noch teuerer. Dabei kann man durchaus mit einfachen Mitteln etwas Schönes erreichen.« Sie rührte in ihrem Kaffee. Dann sah sie wieder hoch. »Erinnerst du dich an die Schulausflüge mit unserem Biolehrer? Naturkunde hieß das damals noch. Die ausführlichen Erkundungsgänge, die wir immer gemacht haben, die hab ich geliebt. Da hat man uns viel über die Pflanzenwelt beigebracht. So was hätte man öfter mit uns Schülern machen sollen. Da ist mehr hängen geblieben als bei der Paukerei von irgendwelchen Zahlenreihen im staubigen Klassenzimmer oder beim Auswendiglernen von dem anderen komischen Zeug.«
    An die Erkundungsgänge mit dem Biolehrer konnte Franca sich tatsächlich erinnern. Allerdings nicht daran, dass sie ihr in irgendeiner Weise Freude bereitet hätten. Ihr war es damals so vorgekommen, als habe der Lehrer keine Lust, Unterricht zu halten, und wollte einfach nur mit der Klasse spazieren gehen.
    »Na ja, ich hatte es schon immer mit Pflanzen und Blumen. Auch den schönen Spruch, den du mir damals ins Poesiealbum geschrieben hast, hab ich nicht vergessen.«
    Franca suchte erneut in ihrem Gedächtnis. Unter Freundinnen wurden damals Poesiealben ausgetauscht. Gegenseitig widmeten sie sich sinnige Sprüche, ›Zum ewigen Gedenken‹. Letztens war ihr das Album beim Aufräumen in die Hände gefallen und sie war sich unschlüssig gewesen, ob sie es wegschmeißen oder behalten sollte. Aus einem nostalgischen Gefühl heraus hatte sie es zurück ins Regal gestellt.
    »Was hatte ich dir denn reingeschrieben?«
    Ludmilla begann
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