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Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd

Titel: Engelsjagd - Gunschera, A: Engelsjagd
Autoren: Andrea Gunschera
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und erschreckte sie so sehr, dass sie das Lenkrad verriss. Kreischend würgte der Motor ab. Der Lexus geriet ins Schleudern, verlor die Spur. Das Bremspedal blockierte. Scheiß Idee, flackerte es durch ihren Geist, während sie vergebens versuchte, den Wagen zurück in die Mitte der Straße zu zwingen. Scheiß Idee. Panik flutete in ihr hoch. Schotter spritzte, der Lexus schoss die Böschung hinunter, ein dumpfer Schlag, dann kam das Fahrzeug zum Stehen.
    Emily brauchte Minuten, bis sie die Hände vom Lenkrad lösen konnte. Allmählich dämmerte ihr, dass ihr nichts passiert war. Mit zitternden Fingern öffnete sie den Gurt. Schwerfällig schob sie sich im Sitz hoch und klappte die Sonnenblende herunter. Im winzigen Spiegel kontrollierte sie ihr Make-up. Ihre Lippen und die Augenbrauen waren noch immer perfekt. Kopfüber schüttelte sie ihr Haar aus und kämmte es mit den Fingern. So war es besser.
    Als sie ausstieg, traf sie der Wind wie eine Peitsche aus Glas. Und diese Hitze. Sie hatte gehofft, dass es so spät im Jahr nicht mehr so heiß sein würde. Aber im Grunde hatte sie es vorher gewusst. Hatte es gewusst und sich trotzdem bereit erklärt, es zu tun. Sie lockerte den Knoten des Seidentuchs um ihren Hals, hängte sich die Handtasche um und lief los.
    Die Straße war eigentlich keine richtige Straße, sondern eine Schotterpiste, die einen verbrannten Hügel hoch führte. Schon nach wenigen Minuten schnappte sie nach Atem. Sie blieb stehen und starrte die Steigung hinauf. Der Sand verschwamm in der flirrenden Luft. Auf der anderen Seite zweigte irgendwo ein Pfad zur Eysmont Ranch ab. Sie wünschte, der Wagen hätte es noch bis zur Kuppe geschafft. Ihre Füße schmerzten. Der Wind, der ihr Staub und winzige Steinchen ins Gesicht schleuderte, machte sie aggressiv. Sie widerstand dem Bedürfnis, sich das Seidentuch vom Hals zu reißen. Als sie endlich auf der Kuppe stand, die Abzweigung aber nicht entdecken konnte, übermannte sie eine so heftige Frustration, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Die Schotterpiste zog sich weiter und verschmolz mit dem Horizont. Josuabäume bedeckten den Hang zu ihrer Rechten wie verkrüppelte Vogelscheuchen, kaum höher als ihre Knie.
    Emily trottete weiter, die Zähne zusammengebissen, weil die Riemchen der Sandalen ihr bei jedem Schritt in die Fersen schnitten. Als sie endlich auf den Pfad stieß, gut eine Meile hinter der Kuppe, brannten ihre Lungen. Schwer ließ sie sich auf den Felsbrocken sinken, der die Wegkreuzung markierte, und legte den Kopf auf die Knie. Nun weinte sie doch, aber nur ein bisschen. Nur so viel, dass sie sich leichter fühlte und die Tränen ihr Make-up nicht ruinierten.
    Sie trank ihre Wasserflasche leer und quälte sich zurück auf die Füße. Ein paar Hundert Yards hinter der Kreuzung passierte sie einen Holzzaun und einen Brunnen. Kein Vieh, keine Menschenseele weit und breit. Nach einer weiteren halben Stunde schälten sich die Umrisse eines Hauses aus der flimmernden Luft.
    „Gott sei Dank“, flüsterte sie, dem Zusammenbruch nahe.
    Das Ranchhaus mit seinen weiß gekalkten Adobemauern glich einer alten spanischen Mission. Zwei Stufen führten zu einer Holztür, die Fenster glichen Schießscharten. Emily blieb stehen und blickte sich unschlüssig um. Ein alter Pontiac Firebird und ein staubiger Tacoma Pick-up parkten in der Zufahrt, der einzige Hinweis, dass dieser Ort bewohnt war.
    „Hallo?“, rief sie halblaut. Auf dem Weg zur Veranda stolperte sie und stürzte auf ein Knie. Es war nur abgeschrammte Haut, aber mehr, als sie in diesem Moment ertragen konnte. Sie fand keine Kraft mehr, die Tränen zurückzuhalten. Ihr Elend überwältigte sie. Unkontrolliert begann sie, zu schluchzen. Den Mann bemerkte sie erst, als er sie an der Schulter berührte.
    „Alles okay mit Ihnen?“ In seiner Stimme lag wenig Freundlichkeit. Nur ein melodischer Akzent, den sie nicht zuordnen konnte.
    Zu erschöpft, um noch Furcht zu empfinden, hob sie den Kopf. Durch den Tränenschleier erfasste sie seine schlanke, kantige Silhouette, Jeans über Schuhen mit schweren Sohlen, ein staubiges T-Shirt. Er bot ihr keine Hilfe an, als sie sich aufrichtete. Sie presste ihre Finger gegen die Wangenknochen. Das Haar klebte ihr feucht an den Schläfen. „Haben Sie etwas zu trinken?“
    Der Mann trat einen Schritt zurück. „Wie sind Sie hierher gekommen?“
    „Ich hatte einen Unfall.“
    „Wo?“
    Sie starrte ihn an. Sein Haar fiel ihm in dichten Strähnen auf die
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