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Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut

Titel: Engelsbrut - Gunschera, A: Engelsbrut
Autoren: Andrea Gunschera
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wir?“, fragte Katherina. Sie strich ihr Kleid glatt, eine elegante kleine Geste. „Lassen wir sie nicht länger warten.“

    Eine Bewegung im Augenwinkel erregte Eves Aufmerksamkeit.
    „Und deshalb“, fuhr der Herr im Leinenanzug fort, „bin ich dieser Galerie schon seit Mitte der Neunziger verbunden.“
    Sie drehte sich um und entdeckte eine Frau und einen Mann, die den Saal durch eine Nebentür betraten. Das Äußere der Frau fesselte Eve derart, dass sie den Blick nicht abwenden konnte. Sie war groß und schlank und überragte den Mann neben ihr um beinahe einen Kopf, obwohl er keinesfalls klein war. Lichtreflexe fingen sich auf ihrer leuchtend roten Seidenrobe, die ihren Körper umspielte wie eine zweite Haut. Ihr Haar, changierend in Bernsteinfarben, floss lang und glatt über ihren Rücken.
    „Sie haben Katherina noch nicht kennen gelernt?“ Die Stimme ihres Gesprächspartners klang amüsiert. „Keine Sorge, sie hat diese Wirkung auf jeden, der ihr zum ersten Mal begegnet.“ Der Mann lächelte.
    „Sie meinen, das ist Katherina Petrowska?“
    „Sprecht ihr über mich?“ Die Frau blieb neben ihnen stehen. Sie beugte sich vor und küsste Eves Gesprächspartner auf die Wangen. „Ich hoffe, nur Gutes. Schön, dich zu sehen.“ Sie streckte Eve eine Hand entgegen. „Sie müssen Eve sein. Ich bin Katherina.“
    Eve ergriff die Hand. „Ich soll Ihnen Grüße von Greg La Rosa ausrichten.“
    „Freut mich, Sie kennen zu lernen. Greg hat von Ihnen geschwärmt.“
    „Tatsächlich?“, fragte Eve irritiert.
    Das Lächeln der Galeristin war überwältigend. Gott, die Männer mussten ihr scharenweise nachlaufen.
    „Darf ich Ihnen den Künstler vorstellen? Alan, das ist Eve. Eve ...“
    Erst jetzt richtete Eve ihre Aufmerksamkeit auf den Mann, der einen halben Schritt hinter der Galeristin stehen geblieben war. Er trug Hosen und Hemd aus glänzendem schwarzem Stoff. Sein Haar, voll und dunkel, reichte ihm bis zu den Schultern.
    „Alan Glaser“, vervollständigte Katherina ihren Satz.
    Eve errötete. „Hallo“, murmelte sie. Er besaß ein ausgesprochen schönes Gesicht. Obwohl kaukasisch geschnitten, fand sich in seinen Zügen ein südlicher, vielleicht arabischer Einschlag. Mit aufsteigendem Ärger versuchte Eve, ihre Verlegenheit niederzukämpfen. Sie verstand nicht, was plötzlich mit ihr los war.
    „Eve kommt von der Los Angeles People ...“
    „Nicht ganz“, fiel sie Katherina ins Wort. „Ich bin freie Journalistin. Ich schreibe nur im Auftrag von LA People.“
    „Gefällt Ihnen die Ausstellung?“, fragte Alan. In seiner Stimme schwang ein warmes Timbre, das zu seiner Erscheinung passte und eine Saite in ihr zum Schwingen brachte.
    „Ihre Bilder sind ungewöhnlich.“ Kein besonders origineller Kommentar, aber das Erste, das ihr einfiel. Sie suchte nach einer Reaktion in seiner Miene. Katherina warf Alan einen Blick zu, den Eve nicht zu deuten wusste. Sie fühlte sich plötzlich unbehaglich.
    „Vielleicht möchten Sie, dass Alan Sie durch die Ausstellung führt?“, fragte die Galeristin.
    „Ja“, stieß Eve hervor, noch immer halb paralysiert. „Das wäre gut.“
    Alan berührte sie leicht am Arm. Seine Fingerspitzen, glatt und warm, lösten eine kleine Hitzewelle aus, die ihren Ärger auf sich selbst nur verstärkte. Mein Gott, sie war doch kein Teenager mehr, der sich vom Lächeln des erstbesten attraktiven Mannes den Kopf verdrehen ließ.
    „Kommen Sie?“
    Sie straffte die Schultern und wich zur Seite, so dass seine Hand von ihr abglitt. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Katherina bei dem Mann im Leinenanzug unterhakte und ihn in eine andere Richtung dirigierte. Kein Wunder, dass er seit zehn Jahren der Galerie die Treue hielt.
    „Ich habe keinen Titel für die Ausstellung gefunden“, sagte Eve, während sie neben Alan zurück zum Foyer schlenderte. Allmählich fand sie ihre Fassung zurück.
    „Das liegt daran, dass es keinen Titel gibt“, erwiderte er.
    „Warum nicht?“
    „Weil Namen Assoziationen wecken.“ Alan blieb vor einem Triptychon stehen, der gegenüber dem Haupteingang aufgehängt war. „Namen haben Macht. Sie setzen Dinge in einen Kontext.“
    „Und das möchten Sie nicht?“
    „Sie legen eine Bedeutung in meine Bilder, die ich ihnen nicht zugestehe.“
    Eve musterte sein Profil, während er sprach. Er hatte etwas Verstörendes an sich. Sie konnte das Gefühl nicht benennen. Es war wie eine Erinnerung, die ihr entglitt, wenn sie danach zu greifen versuchte.
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