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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Michael Kibler
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Geld. Viel Schmuck. Rasa tritt zu ihm. Doch der Mann dreht sich um und greift Rasa an. Die sticht zu, erst ins Blaue hinein, dann trifft sie. Der Mann geht zu Boden. Beschimpft sie. Sie versteht nicht alles, aber die Worte ›Hure‹, ›Nutte‹ – die kennt sie. Und sie sticht weiter auf ihn ein. Wieder und wieder. Ihre ganze Wut und Verzweiflung fließen in diese Bewegungen.
    Dann hält sie inne.
    Sie nimmt das ganze Geld, nimmt den Schmuck. Der Tresor ist leer, ihr kleiner Rucksack voll.
    Sie sieht zu der Frau. Sie lebt noch. Rasa geht zum Telefon, nimmt das Mobilteil. Gibt es der Frau in die Hand.
    Sie denkt, die Frau überlebt vielleicht.
    Dann nimmt sie die Schlüssel von dem Deutschen. Und seinen Wagen. Und fährt davon. Das ist das Ende der Geschichte. Und Ihre Brüder Grimm, die sagen dann immer: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.«
    Margot und Irina Gölzenlamper hatten inzwischen eine ganze Runde über das Oberfeld gedreht.
    »Wie hieß die Frau noch mal in Ihrer – Geschichte?«
    Irina lächelte: »Разочарование – Rasotscharowanie.«
    »Ihre Schwester heißt Nadeschda – das bedeutet in Ihrer Sprache doch so viel wie ›Hoffnung‹, oder?
    »Ja.«
    »Und was heißt Rasa … – ich kann es nicht aussprechen?«
    »Es ist das Gegenteil – ›Enttäuschung‹.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo wir Ihre Schwester finden können?«
    »Frau Hesgart, ich bin nur gekommen, weil ich Ihnen eine Geschichte erzählen wollte. Aber ich habe ein reines Gewissen, ich habe keine Ahnung, wo sie ist und wo sie sein könnte.« Sie machte eine ausladende Handbewegung. »Die ehemalige Sowjetunion ist sehr groß und sehr weit.«
    »Frau Gölzenlamper, dann danke ich Ihnen dafür, dass Sie den Weg auf sich genommen haben und mir Ihre Geschichte erzählt haben.«
    »Es war für mich ein Bedürfnis.«
    Obwohl sie noch mitten auf dem Oberfeld waren, verabschiedeten sich die beiden Frauen voneinander und gingen in unterschiedlichen Richtungen davon.

EPILOG
    »Es ist doch ganz einfach«, sagte Margot. »Alles, was ein rotes Kreuz hat, nehmen Sie mit. Alles, was kein rotes Kreuz hat, das bleibt hier.«
    »Okay«, sagte der Möbelpacker und nahm den Kaffeeautomaten. Ein großes rotes Kreidekreuz zierte dessen Seite.
    Seine beiden Kollegen trugen das Sofa aus dem Haus.
    Vierzig Umzugskisten – alle mit rotem Kreuz versehen – waren bereits in dem großen Möbeltransporter verschwunden.
    Margot setzte sich in den Garten und steckte sich eine Zigarette an. Als sie mit der Dose roter Sprühkreide durch das Haus gezogen war, hatte sie noch einige alte Schätze entdeckt. Etwa dieses Zigarettenpäckchen. Sicher vier Jahre alt, aber noch originalverschweißt. Außerdem hatte sie noch eine Kiste mit Spielzeug von Ben gefunden. Sie hatte ihn kurz angerufen, aber er wollte sie nicht abholen. Also hatte sie beschlossen, das Spielzeug Horndeich zu schenken. An einer Holzeisenbahn hätte sicher auch seine Stefanie bald Freude. Er wollte nachher vorbeikommen und sie abholen.
    Die Möbelpacker schafften die letzten Teile in den Wagen. Eine Viertelstunde später kam der Chef auf sie zu.
    »Fertig.«
    Margot musste noch ein paar Papiere unterschreiben.
    »Rauchen Sie?«, fragte Margot.
    »Klar.«
    »Dann nehmen Sie die. Ich brauche sie nicht mehr. Gerade geöffnet.«
    Damit wechselte auch die letzte Packung Zigaretten aus Margots Haushalt den Besitzer. Margot legte noch einen Zehn-Euro-Schein drauf.
    Eine Minute später war der Transporter verschwunden. Und damit Rainers Sachen. Sie hatte bei der Spedition Lagerraum angemietet. Die Jungs würden alles vorsichtig und behutsam ausladen und einlagern. Er konnte es sich dann bringen lassen, wohin und wann auch immer er es wollte.
    Die Sonne stand tief. Es wurde kühl, wie Margot am Mittag schon vermutet hatte.
    Gleich würde sie reingehen.
    Dann sah sie die junge Frau die Straße entlangkommen. Mit dem geschulterten Rucksack.
    Doro!
    Als sie näher kam, erkannte Margot, dass Doro in keiner guten Verfassung war. Sie stand auf, ging auf das Mädchen
zu.
    »Doro, mein Gott, was ist denn passiert? Wieso bist du schon wieder hier?«
    Die junge Frau ließ den Rucksack einfach auf die Straße fallen. Und fiel Margot um den Hals. Augenblicklich lösten sich ganze Stauseen von Tränen aus ihren Augen.
    Minuten später sammelte Margot den Rucksack auf und begleitete Doro ins Haus. Sie hatte immer noch kein Wort gesagt.
    »Willst du reden?«
    Doro schüttelte nur den
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