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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Michael Kibler
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Laufen treffen. Da hab ich gewartet. Bis um halb elf. Dann bin ich über den Böllenfalltorweg in die Kopfschneise rein, dann in den Kirchweg. Ich hatte ja den Schlüssel, um die Sperrpfosten zu lösen. Also, mein Mann hat die. Ich hab auch einen, für Notfälle. Er hatte sich mal im Wald am Bein verletzt, und ich konnte kaum zu ihm gelangen, weil ich damals keinen solchen Schlüssel hatte. Jetzt hab ich einen. Ich hab gewartet, bis ich den Zug an der Haltestelle Lichtwiese ankommen sah. Dann packte ich Susanne auf die Gleise. Der Zug fuhr los. Ich auch. Rückwärtsgang, dann weg.«
    Danach schwieg Veronika Zumbill.
    Keiner sagte etwas.
    »Was passiert jetzt mit Sophie?«
    »Das wird das Jugendamt entscheiden«, sagte Camilla Kruse.
    Veronika Zumbill nickte nur.
    Horndeich stand auf, griff zum Handy und rief das Präsidium an. Organisierte, dass Kollegen Reinhard Zumbill in Gewahrsam nehmen würden.
    »Sie werden ihn zu Hause nicht antreffen«, sagte Veronika Zumbill.
    »Wo ist er hin?«, fragte Margot.
    Veronika antwortete nicht.
    »Frau Zumbill, wir schreiben jetzt eine bundesweite Fahndung aus. Er kommt über keine Grenze. Er wird immer auf der Flucht sein. Er wird keinen Job haben. Wo will er denn hin?«
    Doch Veronika Zumbill schwieg weiter.
    Horndeich setzte sich wieder an den Tisch. Ließ den Blick nicht von Veronika Zumbill ab. Nach einer halben Minute sagte er: »Zumbill ist unterwegs zu seinem Bruder.«
    Margot kannte ihren Kollegen inzwischen gut genug, um zu wissen, wie seine Stimme klang, wenn er bluffte. Auf der anderen Seite: In Zumbills Leben schien es außer seiner Mama und Susanne nicht besonders viele ihm nahestehende Menschen gegeben zu haben. Da war es gar nicht so unwahrscheinlich, dass er wirklich zu seinem Bruder unterwegs war.
    Veronika Zumbill nickte. Dann weinte sie.
    Wieder wollte Horndeich zum Handy greifen, als Reinhard Zumbills Mutter ihn am Arm fasste. »Moment noch.«
    Horndeich ließ das Handy sinken. »Ja?«
    »Er ist in einem Schützenverein. Er hat eine Waffe.«
    Alle sahen sich an.
    »Was für eine?«
    »Keine Ahnung. Ich mag keine Waffen.«
    Na, das war mal eine Aussage. »Welcher Verein?«
    »Schützenkreis 22er.«
    Vier Telefonate später wusste Horndeich nicht nur, dass Zumbill eine Walther P22 besaß, sondern auch, dass sie nicht mehr im Waffenschrank des Vereins war.
    »Wie kommt er zu seinem Bruder?«
    Zumbills Mutter zuckte mit den Schultern. »Er hat ja kein Auto. Fährt wahrscheinlich mit dem Zug nach Eberbach.«
    Horndeich telefonierte wieder mit den Kollegen. Ein Wagen würde Veronika Zumbill abholen, Sophie ebenfalls.
    »Camilla, nehmen Sie sich der Kleinen an?«, fragte Margot.
    »Klar«, antwortete Camilla Kruse.
    Als Margot schon gehen wollte, wandte sie sich noch mal zu Camilla um: »Wieso haben Sie denn die ganzen Zitate aus Ice Age im Kopf? Kann Ihre Tochter den Film auch auswendig?«
    Camilla Kruse lachte auf. »Nein. Aber mein Mann.«
    Margot hatte vom Wagen aus alles koordiniert. Zumbill musste im letzten Zug sitzen, der nach Eberbach fuhr. Kurz hatten sie darüber nachgedacht, ob sie den Bruder informieren sollten.
    Doch der hätte Reinhard warnen können. Inzwischen waren die Kollegen aus Heidelberg unterwegs. Sie wollten Zumbill in Eberbach in Empfang nehmen. Horndeich fuhr den Insignia mit Blaulicht in Richtung Süden.
    »Vielleicht sollten wir nachsehen, ob er überhaupt drinsitzt«, dachte Horndeich laut nach. »Kannst du mal schauen, wo der Zug gerade ist?«
    Fünfzig Kilometer hatten sie schon hinter sich gebracht, sie befanden sich kurz vor Erbach im Odenwald. Eberbach lag noch weitere dreißig Kilometer weiter im Süden und war die Endstation der Odenwaldbahn.
    Margot schaute im Smartphone nach der Verbindung. »Der Zug ist in zehn Minuten in Erbach.«
    »Prima«, meinte Horndeich. »Ich stell mich auf den Bahnsteig und schau genau hin, wenn der Zug einläuft. Dann weiß ich auch, wo er sitzt, wenn er drin ist.«
    Margot nickte.
    Da Zumbill ja bewaffnet war, hatten die Kollegen in Eberbach die große Truppe angefordert. Beamte in Zivil. Uniformierte Beamte im Mannschaftswagen, die von der Bahnstrecke aus nicht zu sehen waren. Sie wollten Zumbill festsetzen, wenn er den Bahnhof verlassen hatte und allein unterwegs war. Für den Notfall, falls Zumbill ausrastete und eine Geisel nehmen würde, waren auch ein paar Präzisionsschützen auf umliegenden Dächern verteilt. Gut, dass es bereits dunkel war.
    Horndeich lenkte den Wagen ohne Blaulicht an den
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