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Engelsblut

Engelsblut

Titel: Engelsblut
Autoren: Michael Kibler
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Bahnhof. Er stieg aus. Ging auf den Bahnsteig.
    Der Zug der OWB war pünktlich. Durch den Bogen, den die Strecke von Michelstadt aus machte, war er erst kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof zu sehen.
    Horndeich stand im hinteren Bereich des Bahnsteigs, sodass er in alle Fenster des Zuges würde schauen können.
    Der Zug bremste ab.
    Und Horndeich schaute angestrengt ins Innere.
    Zumbill saß im letzten Teil des Zugs. Es war die erste Klasse.
    Zumbill blickte nach draußen, hielt die Hände neben das Gesicht, damit er aus dem hellen Raum heraus in der Dunkelheit etwas erkennen konnte.
    Und er erkannte Horndeich. Seine Augen weiteten sich.
    Mist, dachte Horndeich. Was sollte er jetzt tun? Wenn er einfach stehen blieb, dann würde Zumbill an einem der Haltepunkte zwischen Erbach und Eberbach aussteigen.
    Wenn er einstieg, dann war er im Zug mit einem bewaffneten Mann, der unter hochgradiger Anspannung stand und garantiert nicht mehr nüchtern war.
    Bauchgefühl und Instinkt – das waren die Ingredienzien, aus denen schnelle Entscheidungen bestanden.
    Rein.
    Horndeich sprang im letzten Moment in den Zug.
    Das Erste-Klasse-Abteil war durch eine Glastür abgetrennt. Das war der wesentliche Komfort-Zugewinn. Denn die Sitze waren auch nicht größer oder besser gepolstert als die in der zweiten Klasse. Horndeich ging durch die Tür und ließ sich Zumbill gegenüber in den Sitz sinken.
    »Sie hier?«
    »Ja. Ich hier.«
    »Woher wissen Sie …«
    »Das ist mein Job. Und, Herr Zumbill: Wir wissen inzwischen, was passiert ist. Ihre Mutter hat ein umfassendes Geständnis abgelegt.«
    »Sie bluffen.«
    »Susanne hatte ein grünes Kleid an, als Sie sie erstochen haben. Ihre Mutter hat ihr dann später das rote angezogen. Sie hat die Leiche mit dem Landrover Ihres Vaters zum Bahnübergang geschafft. Die Kleine hat sie mit einem Schlafmittel ausgeschaltet. Noch mehr Details?«
    Zumbill schwieg.
    »Herr Zumbill, es ist aus. Wir wissen auch, dass Sie auf dem Weg zu Ihrem Bruder sind. Dort steht die Polizei schon bereit. Sie haben keine Chance, irgendwohin zu fliehen.«
    Zumbills Augen füllten sich wieder einmal mit Tränen. »Ich habe das Liebste getötet, was ich hatte«, schluchzte er.
    Horndeich nickte nur. Er war müde. Er wollte nach Hause zu Sandra und seiner Tochter. Sie würden bald in Eberbach ankommen.
    »Gallberg hat mir die Fotos gegeben – und ich konnte es nicht ertragen. Die Vorstellung, dass er mit ihr – es war unerträglich. Ich bin stundenlang mit dem Rad herumgefahren, um ruhiger zu werden, aber es gelang mir nicht.
    Sie war daheim, als ich kam. Hatte der Kleinen gerade diesen Schwachsinns-Zeichentrickfilm mit dem Mammut angemacht. Und Susanne – sie hockte im Schlafzimmer auf dem Bett und heulte.«
    Horndeich sah Zumbill an. Beichte war immer gut. Vielleicht würde die Sache ja doch unblutig über die Bühne gehen.
    »Ich warf die Bilder auf das Bett. Ging in die Küche. Sie kam hinterher. Ich machte die Tür zu. Dann fing ich an loszubrüllen. Beschimpfte sie. Und wissen Sie, was das Schlimmste war? Sie hat mir die Wahrheit gesagt. Sie hat mir die gottverdammte Wahrheit gesagt! Nur hab ich’s nicht kapiert. Das klang so beschissen an den Haaren herbeigezogen, dass ich ihr nicht eine Silbe geglaubt hab. Sie hat mir gesagt, dass sie als Leihmutter ein Kind austragen würde, dass sie Geld dafür bekommen sollte, dass der Mann auf dem Foto ihr Gynäkologe ist, dass das Ehepaar, das den Auftrag für das Baby gegeben hat, dass die tot sind. Dass Susanne abhauen wollte. Dass ihr jetzt alles um die Ohren fliege. Dass sie kein Geld mehr dafür hätte. Und dann fragte sie, ob ich sie noch haben wolle. Ob ich das Kind mit ihr großziehen würde.
    Sie hat das ernst gemeint. Und ich hab gedacht, der Typ auf den Bildern wäre ihr Stecher, der ihr ein Kind gemacht hat. Das Kind, das sie mit mir nie haben wollte. Dass er sie sitzen gelassen hatte, jetzt, wo sie schwanger war. Und nun war ich gut genug dafür, auch noch ihren zweiten Bastard mit durchzufüttern? Ich schrie sie an, ob sie denn bescheuert wäre. Ob sie noch alle Tassen im Schrank hätte, hab ich sie angebrüllt.
    Sie hat zurückgebrüllt, ich wäre ein egoistisches Arschloch, ein gewalttätiges egoistisches Arschloch.
    Ich habe ihr eine gescheuert. Oder auch zwei, ich weiß nicht mehr.
    Sie heulte und jammerte, wo sie denn jetzt hinsolle. Doch dann hat sie mich angeschaut, hat geweint. Und gesagt, gut, dann würde sie jetzt gehen. Aber ich konnte sie doch
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