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Engelsberg

Engelsberg

Titel: Engelsberg
Autoren: Reinaldo Arenas
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Dann hör zu, was du zu tun hast: Auf der Stelle wirst du mich begatten und mir einen Neger machen. Einen Neger, verstanden! Wenn nicht, wanderst du an die Kessel in der Zuckermühle, wo aus dir brauner Kandis wird.«
    »Herrin, bei der Liebe Gottes!«
    »Kein Wort mehr, und an die Arbeit!«, befahl die aufgebrachte Doña Rosa, legte ihr weites Hauskleid ab und stand splitternackt vor dem furchtsamen Sklaven.
    Der war noch ganz verwirrt und zögerte. Doch Doña Rosa warf ihm so drohende Blicke zu, dass er um sein Leben bangte und seinen Körper den ausladenden Proportionen seiner Herrin näherte.
    »Vergiss nicht, dass ich dir einen Neger befohlen habe!«, sagte Doña Rosa noch einmal mit Nachdruck.
    »Señora, ich weiß nich, ob mein Talent groß genuch is«, stammelte der Koch.
    »Schweig und mach, dass du fertig wirst«, unterbrach ihn Doña Rosa wieder. »Don Cándido kann jeden Moment kommen und dir den Kopf abschneiden.«
    Nach abgeschlossener Paarung erklärte Doña Rosa:
    »Gut, jetzt musst du noch wissen, wenn du irgendwem ein Wort davon sagst, was du mit mir gemacht hast, bleiben dir keine vierundzwanzig Stunden mehr, um es noch einmal zu versuchen.«
    »Nix hab ich mit meiner Herrin gemacht«, beteuerte der Sklave, als er in seine Hosen schlüpfte.
    »Wie, nichts gemacht? Unverschämter Kerl!«, protestierte Doña Rosa erzürnt und befriedigt. »Und jetzt fort mit dir! Fort! Ab in die Küche! Meine Ehre ist bestens wiederhergestellt.«

Kapitel 6 Engelsberg
    Neun Monate später, als Doña Rosa schon die Wehen spürte und weil sie wusste, dass sie in ihrem Haus natürlich kein schwarzes Kind zur Welt bringen konnte, ging sie zur Engelskirche auf dem Engelsberg und bat darum, ob ihrer gesellschaftlichen Stellung beim Bischof höchstpersönlich, Señor Don Manuel Morell de Ohcaña y Echerre, die Beichte ablegen zu dürfen.
    Dieser unvergleichliche Prälat – unvergleichlich sowohl in seiner Hässlichkeit wie auch in seinen Freveltaten – hatte es gegen den unverhüllten Widerstand des Marquis de Someruelos und der seit Langem verwitweten Herzogin de Valero erreicht, den Bischofssitz von Havannas Kathedrale auf den Engelsberg zu verlegen, und dort amtierte er mit einer Herrlichkeit und Pracht, welche selbst die Zeremonien seines Vorgängers übertraf, des Señor de Espada.
    In Wirklichkeit hatte es den inzwischen berühmt gewordenen Engelsberg in Havanna vor der Ankunft des Bischofs de Espada gar nicht gegeben, an der Stelle hatte sich vielmehr eine Senke befunden. Er war es, der dort die Engelskirche errichten ließ und den berühmten Friedhof gründete, der heute seinen Namen trägt. Es waren so viele Tote (vor allem während der Amtszeit Echerres), die auf dem Gottesacker direkt unter der Kirche begraben wurden, dass sich die Grabstätte rasch in eine alles überragende Erhebung verwandelte, auf der das mit Säulen, Türmchen, Schnörkelwerk, Traufröhren, Gesimsen, Voluten und völlig unnötigen Archivolten überladene Gotteshaus und Kirchenschiff immer weiter in die Höhe wuchs. Indem die Gruft mit Leichen gefüllt wurde, verwandelte sie sich in einen gewaltigen Grabhügel, und über dieser Anhäufung von Knochen reckte sich weiter die Kirche empor, die inzwischen manchmal schon bis in die Wolken ragte.
    Was den Namen des Engelsbergs anging, so war Bischof de Espada persönlich in die Legende verwickelt. Schon seit den ersten Jahren seiner Amtszeit, als die Erhebung Form anzunehmen begann, verbreitete sich das Gerücht und ward Überzeugung, dass die Kirche darauf von einem Engel besucht würde. Hunderte von frommen Frauen versicherten, gesehen zu haben, wie der schöne Engel vom Himmel herabstieg und im Glockenturm der schon Kathedrale gewordenen Kirche vor Anker ging. Echerre, der wie jeder Geistliche natürlich Atheist war, scheute keine Mühe, Ursprung und Antrieb dieser Legende herauszufinden. Doch alle seine Nachforschungen blieben ergebnislos. Zu guter Letzt, als ihn der im Sterben liegende Bischof de Espada (dessen Nachfolger Echerre werden würde) rufen ließ, damit er ihm die Beichte abnähme, fragte er den Prälaten, was er denn von dieser einzigartigen Erscheinung hielte.
    »Den Engel gibt es«, antwortete der Bischof, »du hast ihn vor dir, und er bittet dich um Absolution. Der Engel bin ich.«
    »Wie das, Pater?«
    »Mein Sohn«, antwortete der sterbende Kirchenmann, »ich beobachte dich nun schon seit vielen Jahren. Ich weiß, dass du es warst, der mich während der Invasion der
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