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Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Engel und Dämonen: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Georg Haderer
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jeder auf einer Seite schauen oder auf der gleichen?“
    „Auf der gleichen …“
    „Ich kann die Augen nicht mehr offen halten …“, sagt Schäfer nach fast einer Stunde.
    „Dann gehen wir … die klarsten Nächte kommen eh erst …“
    „Ich hab mich sowieso für keinen Wunsch entscheiden können …“
    „Das sieht Ihnen wieder ähnlich …“, Bergmann gähnt, dreht seinen Hals ein paar Mal von links nach rechts und steht auf.
    „Und jetzt … was soll jetzt werden?“, fragt Schäfer, als er auf der obersten Treppe steht.
    „Ich weiß es noch nicht …“, antwortet Bergmann leise, „lassen Sie mich vorgehen … nur falls Sie stolpern …“

Epilog
    Als Amos Goldmann den diensthabenden Arzt nach der Zimmernummer fragte, antwortete dieser, dass Schäfer mit einem Bekannten zu einem kurzen Spaziergang aufgebrochen, wohl aber bald zurück wäre. Ich schaue in einer halben Stunde noch einmal vorbei, meinte Goldmann, wiewohl er wusste, dass es dazu nicht kommen würde. Den ganzen Nachmittag hatte er mit sich gerungen, ob er seinen Freund besuchen sollte. Er hatte sich die Sätze zurechtgelegt, vielfache Erklärungen, die alle irgendwo in seiner eigenen Ohnmacht und Verzweiflung stecken geblieben waren; nur die Einleitung war stets gleich geblieben: Ich wollte mich von dir verabschieden, ich gehe nach Chicago, mein Flieger geht morgen früh. Dann hast du das Angebot endlich angenommen, hätte Schäfer vermutlich gesagt; wenn er sich denn noch daran erinnerte, dass sein Freund seit Jahren darüber nachdachte, einen Lehrauftrag an der Universität von Chicago anzunehmen. Ja, und jetzt wäre wohl ein guter Zeitpunkt. Dann hätte er Schäfer tief in die Augen geblickt und dessen Gedanken zu erraten versucht. Mit den Wahlergebnissen, die diese Drecksfaschisten in Wien zurzeit einfahren, kann es mir wohl niemand verdenken, dass ich mich absetze, so seine Rechtfertigung, wenn Schäfer nichts oder zumindest nichts Zweideutiges erwidert hätte. Dann eine Umarmung, ein Abschied … und eine Enttäuschung; denn insgeheim wünschte sich Goldmann, dass Schäfer alles verstünde, alles erklären könnte, anstatt in eine Amnesie zu fliehen. Nicht, dass er Schäfer bezichtigte, zu simulieren, nein, er beneidete ihn um seinen Zustand, wenn dieser wahrscheinlich auch nur temporär war, wie Bergmann ihm am Nachmittag mitgeteilt hatte.
    Der Chefinspektor hatte sogar eigens auf der Baumgartner Höhe angerufen, um ihm eine Besuchserlaubnis zu erwirken; wenn es denn einen wahrhaft guten Menschen gab, dann Schäfers ewigen Assistenten, wenn es Schutzengel gab, dann Bergmann, der blindlings in diesen Kampf gerannt war, um seinen Major zu retten, nicht ahnend, dass dieser selbst die Schwerter schliff, mit denen sie zum letzten Krieg ausholen wollten, was für eine Verblendung!, wenn Bergmann blind war, was waren dann seine Widersacher gewesen? Wie hat es so weit kommen können?, das wäre die Frage gewesen, die er Schäfer wirklich hatte stellen wollen.
    Jetzt stand er vor dem Pavillon 16, fast zu erschöpft, einen Fuß zu heben, und ging dann doch zielstrebig in Richtung des Gebäudes, in dessen Nähe er seit Jahren nicht mehr gekommen war. Der alte Ziegelbau, der die Ausstellung über die Kinder des Spiegelgrunds beherbergte. Wo auch ein Bild seiner Tante zu sehen war, vierjährig, in einem weißen Metallgitterbett, mit schreckhaft geweiteten Augen, zwei Monate, bevor sie ermordet worden war, wie all die anderen auch, wie die Schwester von Max Bienenfeld, wie … doch das wäre eine widerliche Entschuldigung, sagte er sich und machte kehrt, bevor er noch der Gedenktafel ansichtig wurde, eine schamlose Ausrede, ein entwürdigendes Betteln um Verständnis für das, was sie in ihren Herzen und Hirnen ausgebrütet hatten. Schäbig. Um nichts besser als die Ideale, die Ideologien, denen Plier, Foster, Eisert und die anderen anheim gefallen waren; Plier noch am wenigsten, er war ein Träumer, der es in einer besseren Welt wohl wirklich zu einem Engel gebracht hätte; Eisert ein Faschist, wenn er sich auch in die Zellen der rechtsextremen Faschisten nur eingeschlichen hatte, um sie zu zerstören, Auge um Auge, Foster ein Abenteurer, der die Kamera auf den Atomblitz gehalten hätte, anstatt vor ihm zu fliehen, Ehrenreich ein Schreibtischtäter, Stein vergasen und weg wäre ein Gutteil des Bösen, ein Eichmann im Büßerhemd, Breiler, der Ästhet, der irre Schweizer, der die Welt reinigen wollte, hinfort ihr stinkenden Dämonen,
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