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Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin

Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin

Titel: Engel in meinem Haar - Die wahre Geschichte einer irischen Mystikerin
Autoren: Random House
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erlebt, doch jedes Mal, bevor es geschah, umflatterten mich zahllose Vögel aller Größen und kamen mir dabei sehr nahe.
    Wenn es ihm gut genug ging, stand Joe gerne auf und setzte sich ein Weilchen vor den Kamin oder kämpfte sich mit meiner Unterstützung bis vor ans Gartentor. Eines Abends, wir hatten gerade die ersten Schritte aus dem Haus getan, kamen von überall her Vögel angeflogen:
Sie zogen Kreise um Joes Füße, pickten mit den Schnäbeln in den kiesbestreuten Weg oder landeten auf dem Gartentor und begannen, ihr Gefieder zu putzen.
    »Wo kommen denn bloß all die Vögel her?«, fragte Joe. »Ich habe noch nie so viele auf einmal gesehen.«
    Ich deutete auf einen Punkt vor uns. »Sie sind hier, weil der Vogelengel nicht weit von uns entfernt steht«, erklärte ich ihm. Joe konnte ihn (natürlich) nicht sehen, aber seine Augen leuchteten auf. Mit einem breiten Lächeln meinte er: »Ich mag den Vogelengel.« Dann machten wir kehrt und gingen ins Haus zurück.
    Wir sprachen mehrmals darüber, ob Joe ins Krankenhaus gehen oder bei uns zu Hause bleiben sollte. Er sagte, für mich und die Kinder wäre es leichter, wenn er zum Sterben ins Krankenhaus ginge, und dass er uns nicht zur Last fallen wolle. Und ich sagte jedes Mal: »Nein, Joe, du bist für niemanden eine Last. Ich liebe dich und dasselbe gilt für deine Kinder. Wir wollen nicht, dass du im Krankenhaus stirbst. Wenn es nach uns geht, dann bleibst du hier bei uns zu Hause.«
    Ein paar Tage vor Joes Tod schaute der Arzt gegen Mittag bei uns vorbei und sagte zu Joe, es sei jetzt wohl der richtige Zeitpunkt für ihn, sich ins Krankenhaus bringen zu lassen. Daraufhin wollte ich von ihm wissen: »Wenn Joe jetzt ins Krankenhaus geht, wie groß ist dann die Chance, dass er wieder nach Hause kommt?«
    »Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er nie wieder nach Hause zurückkehren wird«, entgegnete der Arzt.
    Joe und ich sahen einander an und sagten gleichzeitig: »Nein.« Dann erklärte Joe dem Doktor, wir hätten darüber gesprochen, dass er zu Hause sterben sollte, und ich fügte hinzu: »Unsere Entscheidung steht fest.«
    Der Arzt stand am Fußende von Joes Bett und ich konnte ihm sein Mitgefühl und Verständnis vom Gesicht ablesen. »Rufen Sie mich an, wenn Sie mich brauchen, egal wann, ob am Tag oder in der Nacht, das spielt keine Rolle«, erklärte er.

    Am nächsten Tag meinte Joe, er würde etwas darum geben, wenn er zum Abendessen ein Schweineschnitzel haben könnte. Also lief ich zu Metzger Jim und fragte nach Schweineschnitzeln. Er wusste, dass Joe krank war und sagte entschuldigend: »Tut mir leid, heute habe ich keine.« Dann ging er nach hinten und kam mit der Botschaft zurück, am nächsten Tag werde es Schweineschnitzel geben.
    Am selben Abend wollte Joe gerne noch einen kleinen Spaziergang unternehmen, und mit meiner Unterstützung schaffte er es bis zum Tor. Es war eine helle, sternklare Nacht, wenn auch ziemlich kühl. Während wir am Gartentor standen, erschien der Vogelengel wieder, auf einmal stand er links vom Laternenpfahl auf der gegenüberliegenden Wiese. Joe ruhte sich ein wenig aus und lehnte sich dabei an das Gartentor.
    »Was für ein herrlicher Abend«, sagte er.
    Als ich mich nach dem Laternenpfahl umwandte, war der Vogelengel nicht mehr da. Da zog rechts von mir ein Lichtblitz am nächtlichen Himmel meine Aufmerksamkeit auf sich. »Schau doch mal, Joe«, rief ich.
    Joe drehte sich herum in Richtung auf das Haus. Ein wunderschöner weißer Vogel flog aus der Dunkelheit zu uns herüber, im Näherkommen wurde er immer heller und größer, seine Konturen deutlicher. Der Vogel flog niedrig, inzwischen war er wirklich riesig, sein Gefieder leuchtete weiß und wir konnten jede einzelne Feder darin erkennen: ein prachtvolles Geschöpf.
    »Eine weiße Eule«, rief Joe aus.
    Aus Sorge, der Vogel könnte uns streifen, duckten wir uns, als die Eule über unsere Köpfe hinweg direkt in den Lichtkreis der Straßenlaterne flog. An jenem Abend schien die Straßenbeleuchtung besonders hell – ganz außergewöhnlich hell, wenn ich heute daran zurückdenke. Als die Eule in den Lichtschein eintauchte, konnten wir sie in allen Einzelheiten bewundern. Dann verschwand sie.

    »Was für ein sagenhafter Anblick«, staunte Joe. »Wie groß und weiß diese Eule doch war. Wo mag sie hin sein? Sie verschwand in dem Moment, als sie in den Lichtkreis der Laterne geflogen ist; es schien mir so, als hätte es eine Art Lichtexplosion gegeben und dann war sie
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