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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes
Autoren: Michael Marshall
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gerade so gefallen und sah irgendwie wie eine Brücke aus.
    Das Gelände auf der anderen Seite war viel offener. Es fiel schwer, dies nicht als Einladung zu betrachten.
    Ich ging bis zum Fuß des Baumstamms und versetzte ihm einen Tritt. Er machte einen soliden Eindruck. Auf dem anderen Ufer, so sah es aus, konnte ich ohne große Hindernisse an die Stelle laufen, wo ich erwartet wurde.
    Vorausgesetzt, ich schaffte die drei Meter über einen verschneiten Baumstamm, unter dem ein felsiger Abgrund lauerte.
    Vergiss es,
dachte ich schon,
mit zerschmettertem Schädel auf den Felsen bist du niemandem eine Hilfe.
    Da hörte ich mehrere Schüsse und dann Ninas Stimme, doch es klang nicht wie Triumph.
    Ich sprang auf den Baumstamm, holte tief Luft.
    Wenn überhaupt, dann würde ich nur im raschen Lauf hinüberkommen.
     
    Patrice beobachtete, was vor ihren Augen geschah. Henrickson war blitzschnell in den Fluss gestoben. Nie zuvor hatte sie jemanden mit solcher Gewandtheit und Sicherheit sich bewegen sehen. Im Handumdrehen hatte er die Frau entwaffnet und ihr eine Pistole an die Schläfe gedrückt.
    Mit einem Fußtritt beförderte er das Gewehr des anderen Mannes ins Wasser, dann schleppte er die Frau ein paar Schritte zurück, bis beide mitten im Flussbett standen.
    Der Mann am Boden schien Schmerzen zu haben, zeigte es aber nicht. So machten es die Männer, wie Patrice aus eigener Erfahrung wusste. Nur manchmal, da flennten auch sie. Bei Bill war es so gewesen. Bei Krebs im Endstadium fiel bei allen die Maske.
    »Wie haben Sie hierhergefunden, John?«
    »Dravecky«, antwortete der Mann ohne jede Genugtuung. »Selbst dieser Psychopathenklub will Sie loswerden. Sie sind der Abschaum des Abschaums. Sie können sich nirgendwo mehr blicken lassen.«
    »Es gibt immer einen Ausweg«, entgegnete Henrickson. »Dravecky finden und ihn umlegen wird Aufgabe Nummer eins sein. Dann ist sein Kumpel von der NSA aus L.A. dran. Der ist Ihnen schon über den Weg gelaufen, nicht wahr, Nina?«
    »Ja.«
    »Das dachte ich mir. Keine Angst. Die sind keineswegs so wichtig, wie sie sich nehmen.«
    Patrice sah, wie der Mann am Boden plötzlich vorsprang und eine Pistole in der Hand hielt. Aber Henrickson hatte zur gleichen Zeit zwei Schritte rückwärts getan, und nun hatte er die Frau wie einen Schild genau vor sich: sein Körper hinter ihrem Körper, sein Kopf hinter ihrem Kopf.
    »Was haben Sie vor, John? Wollen Sie Nina erschießen, um an mich heranzukommen?«
    Patrice betrachtete das Gesicht der Frau und erriet, dass sie nicht wusste, was der Mann vorhatte. Die Frau versuchte, sich aus dem Griff zu lösen und dem Mann Gelegenheit zu einem Schuss zu geben, ohne selbst Zielscheibe zu sein, doch Henrickson parierte jede ihrer Bewegungen geschmeidig und schnell.
    »Was ist Ihnen wichtiger? Mir aus Rache für Karen eine Kugel in den Pelz zu brennen, auch wenn Ihre FBI -Freundin dabei draufgeht? Vielleicht sollte ich Ihnen die Entscheidung abnehmen und Nina erledigen?«
    Der Mann am Boden hatte sich aufgerichtet. Die Hand, mit der er die Pistole hielt, wirkte alles andere als fest und ruhig.
    »Wenn Sie Nina etwas tun, knalle ich Sie ab.«
    Patrice dachte, dass der Mann so gut wie keine Chance hatte, Henrickson zu überwinden, selbst wenn dieser ihm eine Blöße bot. Sie wusste auch, dass Henrickson genauso dachte, aber das würde den Mann nicht davon abhalten, alles zu versuchen.
    Da merkte sie, dass Henrickson gar nicht mehr auf sie achtete.
    Seit er wieder in die Schlucht zurückgekehrt war, hatte er nur einmal in ihre Richtung gesehen. Dass er sie vergessen haben könnte, glaubte sie nicht. Er war ein Mann, der auf den Cent genau wusste, wie viel Kleingeld er in den Taschen hatte. Aber vielleicht kam sie für ihn jetzt erst unter »ferner liefen«.
    Konnte sie es wagen? Konnte sie vorspringen, sich auf ihn werfen oder ihn auf andere Weise aus der Fassung bringen, so dass der andere Mann Gelegenheit zu einem Schuss bekam?
    Sie war sich nicht sicher. Aber versuchen wollte sie es.
    Langsam löste sie ihre verschränkten Arme. Es tat weh, wie wenn glühende Drähte in ihre Knochen geschoben würden. Sie versuchte die Füße zu bewegen, ohne viel Erfolg. Doch das entmutigte sie nicht. Schließlich brauchte sie nicht bis zu ihm zu kommen. Es genügte, ihn zu überraschen.
    Sie lehnte sich vor.
    Sie kam keine Handbreit voran. Sie bemühte sich wieder. Sie konnte sich nicht rühren, so als wäre sie hier festgefroren, ihre Beine so steif, dass …
    Nein.
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