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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen
Autoren: Lee Linda Francis
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ist reversibel.«
    Ich verschluckte mich an meiner undamenhaften Wut. Ich prustete und keuchte, während ich versuchte, mich wieder zu fangen. Mein Kiefer pulsierte, während ich die Zähne aufeinanderbiss und den Atem durch die Nase einsog.
    »Fred, beruhige dich.«
    Das war es ja gerade, was ich nicht konnte. Es war so, als hätte sich die Wut von sechs Jahren angestaut. Als er mir das Telefon aus der Hand nahm und danach die Tasche in den Kleiderschrank zurückstellte, war ich über mich selber überrascht.
    »Verschwinde, Gordon«, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Er hielt inne und drehte sich um. Sein Gesichtsausdruck war nicht gerade nett und gelassen, ja, noch nicht einmal nervös.
    »Was hast du gesagt?«, fragte er.
    »Du hast mich sehr wohl verstanden. Verschwinde.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, dann fing er an zu lachen. »Okay. Ich verschwinde. Ich hätte schon vor Monaten gehen sollen.«
    Ich warf den Kopf in den Nacken. Ich hätte ihn umbringen können, was ich beinahe auch getan hätte, als ich den kleinen Messingwecker auf dem Nachtschränkchen packte und nach ihm warf. Ich schrie ihn an und fühlte, dass sich auf meiner Stirn Schweißperlen bildeten, während ich ihn mit allen möglichen Schimpfwörtern belegte.
    Das erregte Gordons Aufmerksamkeit, und er sprang zur Seite, um nicht getroffen zu werden. Nicht, dass ihm das viel geholfen hätte. Denn ich war noch nicht fertig.

    Ich nahm einen Porzellanteller und bemerkte, dass es ein Hildebrand-Familienerbstück war. Rasch stellte ich ihn wieder an seinen Platz zurück und nahm ein anderes Stück, diesmal ein Geschenk seiner Familie, das ich gegen die Wand schmetterte. Ich konnte einfach nicht aufhören. Ich schrie und bewarf ihn mit sämtlichen Gegenständen, auf die ich verzichten konnte.
    »Du bist verrückt!«, schrie er und duckte sich.
    Das stimmte. Ich war verrückt und irrsinnig wütend. Aber ich hatte ein gutes Gefühl dabei. Ich fühlte mich noch besser, als er endlich aus dem Schlafzimmer flüchtete und das Haus verließ. Es war großartig. Ich fühlte mich großartig. Mehr als das, ich war endlich frei.
    Gordon hatte mich nicht verdient.
    Ich nahm meine Fotoalben heraus, in denen viele Bilder von Gordon und mir aus den Klatschspalten der Willow Creek Times steckten.
    »Nina!«, rief ich. »Bring mir die Schere.«

3
    Es war schwieriger, als ich gedacht hatte, meinen Mann aus meinem Leben herauszuschneiden.
    Nach einem kurzen Plausch mit Nina beschloss ich, dass eine Schere nicht genug war. Zehn Minuten später saß ich an meinem wunderschönen antiken Queen-Anne-Schreibtisch, an dem ich meine tägliche Korrespondenz erledigte, und beugte konzentriert den Kopf vor. Die Zeitungsfotos, auf denen Gordon inmitten einer Gruppe von Leuten stand, forderten mein nicht gerade großes Geschick, mit dem X-Acto-Messer umzugehen, heraus. Aber ich war entschlossen.
    Ich hatte es bis zum dritten Ehejahr geschafft, genauer gesagt bis zu unserem dritten Wohltätigkeitsball mit Smokingzwang, als die Wut, die mich bis dahin verfolgt hatte, langsam abebbte. Ich fing an, über andere Dinge nachzudenken, zum Beispiel, dass mein Mann mich nicht wollte. Das Lächeln auf seinem Gesicht, als er sagte, er hätte mich schon vor Monaten verlassen sollen, war der Beweis dafür gewesen.
    Warum konnte er mich nicht wollen – mich, Frede Ware, die schönste, meistbegehrte und beneidete Frau in der ganzen Stadt? Was war los mit ihm?
    Ich hatte keine Gelegenheit, darüber nachzudenken, weil das Telefon klingelte und Leute wissen wollten, ob wir an diesem oder jenem Abend Zeit hätten, um an den üblichen Besprechungen im Zusammenhang mit unseren Projekten teilzunehmen.

    Da der Stapel mit ausgeschnittenen Zeitungsfotos von Gordon ständig größer wurde, spürte ich einen Anflug von Übelkeit bei dem Gedanken daran, dass ich meinen Freundinnen sagen musste, dass meine perfekte Ehe doch nicht so perfekt war. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass in meiner Welt der Ruf einer Person auf Wahrnehmung beruht und selten auf Tatsachen. Es war die Wahrnehmung meines wundervollen Lebens, das es zu etwas Wundervollem machte, zumindest nach Auffassung meiner Freundinnen. Sobald man irgendwelche Schwächen zeigte, war alles möglich. Deshalb musste ich angesichts meiner veränderten Situation äußerst vorsichtig vorgehen, was bedeutete, dass ich Gordon am besten wieder ins Album kleben sollte – zumindest für den Moment.
    »Richard«, sagte ich zu einem von Gordons
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