Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
einer gekrümmten, getünchten Außenwand aus Stein und einer dicken Mörteldecke. Ein Bett bildete das einzige Möbelstück, und der schwere, grobe, vergilbte Leinenbezug darauf stand in Kontrast zur Beschaffenheit von Mörtel und Stein. Ich sah eine massive Holztür – geschlossen – und ein den Elementen offenes Bogenfenster. Ein Blick auf den lapislazulifarbenen Himmel vor dem Fenster sagte mir, dass ich mich noch auf Hyperion befand. Aber keinesfalls mehr im Gefängnis von Port Romance; die Steine hier waren zu alt, das Zimmer zu überladen mit Ornamenten, das Bettzeug von zu guter Qualität.
    Ich stand auf, stellte fest, dass ich nackt war, und ging zum Fenster. Die herbstliche Brise war kühl, aber das Sonnenlicht lag warm auf meiner Haut.
    Ich befand mich in einem Turm aus Stein. Gelbe Chalma und das dichte Gewirr von flachem Werholz woben einen dichten Baldachin aus Baumwipfeln bergauf bis zum Horizont. Immerblau wuchs auf Granitfelsen. Ich konnte andere Mauern, Zinnen und die Krümmung eines weiteren Turms sehen, die sich auf dem Grat erstreckten, auf dem dieser Turm stand. Die Mauern schienen alt zu sein. Die meisterliche Konstruktion und der organische Guss der Architektur stammten aus einem Zeitalter der Kunstfertigkeit und des Geschmacks lange vor dem Fall.
    Ich erriet augenblicklich, wo ich mich befinden musste: Chalma und Werholz sprachen dafür, dass ich mich noch auf Aquila befand, dem südlichen Kontinent; die eleganten Ruinen deuteten auf die Geisterstadt Endymion hin. Ich war nie in der Stadt gewesen, von der meine Familie ihren Zunamen abgeleitet hatte, hatte aber von Grandam, der Geschichtenerzählerin unseres Klans, viele Beschreibungen davon gehört.
    Endymion war eine der ersten Städte gewesen, die vor fast siebenhundert Jahren nach dem Absturz des Raumschiffes gegründet worden waren. Bis zum Fall war sie wegen ihrer vorzüglichen Universität berühmt gewesen, einem riesigen, schlossähnlichen Bauwerk, welches die darunter gelegene Altstadt beherrschte. Der Großvater von Grandams Urgroßvater war Professor an der Universität gewesen, bis die Truppen des Pax die gesamte Region von Zentralaquila beherrschten und buchstäblich Tausende in die Flucht trieben.
    Und jetzt war ich zurückgekehrt.
    Ein kahlköpfiger Mann mit blauer Haut und kobaltblauen Augen kam zur Tür herein, legte Unterwäsche und einen schlichten Tagesanzug, der aus handgewirktem Leinen zu bestehen schien, auf das Bett und sagte: »Bitte ziehen Sie sich an.«
    Ich muss gestehen, dass ich dem Mann stumm nachstarrte, als er sich umdrehte und zur Tür hinausging. Blaue Haut. Hellblaue Augen. Er... es...
    musste der erste Androide sein, den ich je gesehen hatte. Hätte man mich gefragt, dann hätte ich gesagt, dass es keine Androiden mehr auf Hyperion gab. Schon vor dem Fall war ihre Biofaktur illegal gewesen, und obwohl der legendäre Traurige König Billy sie vor Jahrhunderten importiert hatte, um den größten Teil der Städte im Norden zu bauen, hatte ich nie gehört, dass noch einer auf unserer Welt existierte. Ich schüttelte den Kopf und zog mich an. Der Tagesanzug passte trotz meiner ungewöhnlich breiten Schultern und langen Beine wie angegossen.
    Als der Androide zurückkehrte, stand ich wieder am Fenster. Er stand an der offenen Tür und wies mir mit einer offenen Hand den Weg. »Bitte hier entlang, M. Endymion.« Ich widerstand dem Impuls, ihm Fragen zu stellen, und folgte ihm die Turmtreppe hinauf. Das oberste Zimmer beanspruchte die gesamte Etage für sich. Spätnachmittäglicher Sonnenschein fiel durch gelbrote Buntglasfenster herein. Mindestens ein Fenster stand offen, und ich konnte den Laubbaldachin tief unten rauschen hören, als Wind vom Tal her aufkam.
    Dieser Raum war so weiß und kahl, wie meine Zelle gewesen war, abgesehen von einer Anhäufung von medizinischer Ausrüstung und Kommunikationskonsolen in der Mitte des Kreises. Der Androide zog sich zurück, machte die schwere Tür hinter sich zu, und ich brauchte einige Augenblicke, bis mir klar wurde, dass sich ein Mensch im Zentrum dieser ganzen Ausrüstung befand.
    Jedenfalls glaubte ich, dass es ein Mensch war.
    Der Mann lag auf einem gussschaumgepolsterten Schwebebett, das in eine sitzende Haltung gebracht woren war. Röhren, IV-Leitungen, Monitorkabel und Nabelschnüre organischen Aussehens verliefen von der Ausrüstung zu der vertrockneten Gestalt in dem Bett. Ich sage
    »vertrocknet«, aber in Wirklichkeit sah der Körper des Mannes fast
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher