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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Autoren: Dan Simmons
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dasselbe, mein Sohn. Unser Herr hat es offenbart.«
    Ich sagte nichts.
    Pater Tse legte sein Messbuch hin und berührte meine gefesselten Handgelenke. »Du weißt, wenn du an diesem Abend bedauerst und Jesus Christus als deinen persönlichen Erlöser akzeptierst, wirst du drei Tage nach... morgen... wieder auferstehen und in der barmherzigen Vergebung Unseres Herrn weiterleben.« Seine braunen Augen blinzelten nicht. »Das weißt du doch, mein Sohn, oder nicht?«
    Ich erwiderte seinen Blick. Ein Gefangener in einem der angrenzenden Zellenblocks hatte fast die ganze Nacht hindurch geschrien. Ich war sehr müde. »Ja, Pater«, sagte ich. »Ich weiß, wie die Kruziform wirkt.«
    Pater Tse schüttelte heftig den Kopf. »Nicht die Kruziform, mein Sohn.
    Die Gnade unseres Herrn.«
    Ich nickte. »Haben Sie schon eine Auferstehung hinter sich, Pater?«
    Der Priester senkte den Blick. »Noch nicht, mein Sohn. Aber ich sehe diesem Tag nicht mit Furcht entgegen.« Er sah mich wieder an. »Und du musst das auch nicht tun.«
    Ich machte einen Moment die Augen zu. Ich hatte fast jede Minute der vergangenen sechs Tage und Nächte darüber nachgedacht. »Hören Sie, Pater«, sagte ich, »ich möchte Ihre Gefühle nicht verletzen, aber ich habe die Entscheidung, die Kruziform abzulehnen, vor ein paar Jahren getroffen und glaube nicht, dass dies der richtige Zeitpunkt wäre, meine Meinung zu ändern.«
    Pater Tse beugte sich mit leuchtenden Augen nach vorne. »Jeder Zeitpunkt ist der richtige, um unseren Herrn zu akzeptieren, mein Sohn.
    Nach dem morgigen Sonnenaufgang wirst du keine Gelegenheit mehr haben. Man wird deinen Leichnam von hier fortschaffen und ins Meer werfen, Futter für die Aasfische jenseits der Bucht...«
    Diese Vorstellung war mir nicht neu. »Ja«, sagte ich, »ich kenne die Strafe für einen Mörder, der ohne Buße hingerichtet wird. Aber ich habe das hier –« Ich klopfte an die kortikale Fluchtsperre, die inzwischen dauerhaft mit meiner Schläfe verbunden worden war. »Ich brauche keinen Kruziformsymbionten in mir, der mich noch mehr zum Sklaven macht.«
    Pater Tse fuhr zurück, als hätte ich ihn geohrfeigt. »Ein Leben zum Lobe unseres Herrn ist keine Sklaverei«, sagte er, und kalte Wut vertrieb sein Stottern. »Millionen haben ihm ihres geweiht, bevor der handgreifliche Segen einer Auferstehung in diesem Leben zur Verfügung stand, heute akzeptieren es Milliarden voller Dankbarkeit.« Er stand auf. »Du hast die Wahl, mein Junge. Ewiges Licht und das Geschenk eines fast unbegrenzten Lebens in dieser Welt, um Christus zu dienen, oder ewige Dunkelheit.«
    Ich zuckte die Achseln und wandte mich ab.
    Pater Tse segnete mich, verabschiedete sich in einem Tonfall, in dem Traurigkeit und Verachtung mitschwangen, rief die Wachen und ging hinaus. Eine Minute später verspürte ich stechende Kopfschmerzen, als die Wachen meine Fluchtsperre kitzelten und mich in meine Zelle zurückführten.
    Ich will Sie nicht mit einer langen Litanei der Gedanken langweilen, die mir in jener endlosen Herbstnacht durch den Kopf gingen. Ich war siebenundzwanzig Jahre alt. Ich liebte das Leben mit einer Leidenschaft, die mir manchmal Probleme einbrachte... wenn auch noch nie so ernste wie in diesem Fall. In den ersten paar Stunden dieser letzten Nacht hegte ich Fluchtgedanken, so wie ein eingesperrtes Tier an den Gittern seines Käfigs kratzen muss. Das Gefängnis lag hoch an einer steilen Klippe über dem Riff namens Kinnbacken, weit draußen vor der Toschahibucht gelegen.
    Alles bestand aus unzerbrechlichem Perspex, felsenfestem Stahl oder nahtlosem Kunststoff. Die Wachen waren mit Todesstrahlern bewaffnet, und sie machten auf mich nicht den Eindruck, als würden sie nicht gern Gebrauch davon machen. Und selbst wenn ich entkommen sollte, würde ein Knopfdruck an der Fernbedienung der Fluchtsperre genügen, dass ich mich mit dem schlimmsten Migräneanfall des Universums krümmte, bis sie dem Signal zu meinem Versteck folgen konnten.
    Die letzten Stunden verbrachte ich damit, über die Narretei meines kurzen, nutzlosen Lebens nachzudenken. Ich bereute nichts, hatte aber auch wenig für Raul Endymions siebenundzwanzig Jahre auf Hyperion vorzuweisen. Das vorherrschende Thema meines Lebens schien dieselbe perverse Sturheit zu sein, die mich veranlasst hatte, eine Auferstehung abzulehnen.
    Also schuldest du der Kirche ein Leben des Dienens, flüsterte eine hektische Stimme in meinem Hinterkopf, aber wenigstens bekommst du auf diese Weise ein
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