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Endstation Wirklichkeit

Endstation Wirklichkeit

Titel: Endstation Wirklichkeit
Autoren: Stephan Klemann
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wirklich tun?“
    „Was tun?“, erkundigte sich David.
    Der junge Mann beugte sich über das Brückengeländer und sah hinunter. Ohne auf die Frage Davids einzugehen, meinte er: „Der richtige Moment ist wichtig! Zu früh, und du landest hart auf den Gleisen, wirst dir sämtliche Knochen brechen und fürchterliche Schmerzen haben. Zu spät, und der Zug erwischt dich nicht richtig. Auch das würde wahrscheinlich sehr wehtun und nicht das gewünschte Ergebnis bringen.“
    David starrte ihn entsetzt an. Wieso wusste der Kerl, was er vorhatte?
    „Ist es das wirklich wert? Ist es tatsächlich die einzige Option?“ Der junge Fremde legte ihm die Hand auf die Schulter und drehte ihn zu sich herum.
    „Hör zu! Was immer dir auf der Seele lastet, wie schlimm es auch ist, tu es nicht! Wirf dein Leben nicht weg. Nichts kann so schrecklich sein, dass man dafür sein Leben beenden muss.“
    Wenn du wüsstest, dachte David. Hastig wandte er sich wieder ab und sah in die Ferne, ohne zu realisieren, was dort eigentlich war.
    „Mein Name ist Andrew. Freunde nennen mich Andy.“ Noch immer hatte er seine Hand auf Davids Schulter liegen und machte keine Anstalten, sie wieder wegzunehmen.
    „Verrätst du mir deinen Namen?“, erkundigte er sich weiter, obwohl ihm sein Gegenüber bekannt vorkam.
    David seufzte schwer und nannte dann seinen Namen. Er presste ihn förmlich aus sich heraus, in der Hoffnung, damit endlich Ruhe zu haben.
    „Freut mich dich kennenzulernen, David.“ Er hatte sich nicht geirrt. Vor ihm stand der Schauspieler David Edwards. „Wollen wir ein paar Schritte zur Seite gehen? Hier auf der Brücke zieht es so.“
    Doch David schüttelte verneinend der Kopf.
    „Nun gut. Dann bleiben wir hier.“ Andy stellte sich schweigend neben David und blickte ebenfalls in die Ferne.
    Minuten verstrichen, ohne dass sie ein Wort miteinander wechselten. Von Weitem hörte David das Geräusch eines sich nähernden Zuges.
    „Magst du mich Andy nennen?“ Andrew nahm das Gespräch mit Gewalt wieder auf. Auch er hörte den Zug und ahnte, was gleich passieren könnte.
    „Hör zu … Andrew! Ich ...“
    „Ey ... ey ... ey ...“ unterbrach ihn Andy und hob ermahnend seinen Zeigefinger vor Davids Gesicht. „Ich sagte, Freunde nennen mich Andy! Willst du mich zu deinen Freunden zählen?“
    David sah ihn wieder an, brachte aber kein Wort heraus.
    „Ich betrachte das jetzt mal als ein Ja“, plapperte Andy weiter. „Gut ... weißt du, ich mag aber keine Freundschaften, die nach zwei Minuten wieder enden. Du?“
    Endlich fand David seine Stimme wieder. „Nein“, sprach er kurz und bündig.
    Andrew strahlte ihn sofort an. „Prima. Dann erzähl mir doch etwas von dir.“
    „Da gibt es nicht viel, was man in zwei Minuten erzählen könnte.“
    Andrew grinste. „Och, ich habe nichts vor und Zeit genug. Und wir haben gerade vereinbart, dass unsere Freundschaft länger als ein paar Minuten dauert.“
    Was Andy mit dem Gespräch bezweckte, war David klar, aber warum versuchte er ihm das Leben zu retten? Warum ihn von dem Sprung in die Tiefe abhalten? Andy war schließlich ein Fremder. Was kümmerte es ihn, wenn er sich das Leben nahm?
    „Ich habe viele Fehler gemacht, und ich habe damit eine Schuld auf mich geladen, die ich nicht mehr begleichen kann. Es ist besser so“, erklärte David ruhig. „Ich danke dir für deinen Versuch, aber ich kann mit dieser Schuld nicht weiterleben. Ich wäre dir also dankbar, wenn du mich jetzt allein lassen würdest.“
    Andrew sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an. „Aha. Du weißt also, wie es sich anfühlt, für etwas schuldig zu sein? Wie weh es tut, wenn man etwas bereut, etwas ändern möchte und es keinen Ausweg mehr gibt? Und jetzt willst du vor meinen Augen vor den Zug springen und mich mit derselben Schuld zurücklassen?“
    David schaute ihn verwundert an. „Wieso lasse ich dich mit einer Schuld zurück?“
    „Na, überleg doch mal. Wenn du jetzt springst und mich hier allein stehen lässt, dann habe ich es nicht geschafft, dich davon abzuhalten. Dann ist es mir nicht gelungen, dich davon zu überzeugen, dass es auch einen anderen Weg gibt und es sich lohnt, weiterzuleben. Willst du mich mit dieser Schuld leben lassen?“
    David wollte protestieren, doch das laute Donnern des unter der Brücke hindurchrasenden Zuges unterbrach ihn, noch bevor er reden konnte. Er schlug wütend mit der Faust auf das Brückengeländer und beugte sich nach vorne.
    Abermals legte Andrew eine Hand auf
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