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Endstation Wirklichkeit

Endstation Wirklichkeit

Titel: Endstation Wirklichkeit
Autoren: Stephan Klemann
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nachzugeben und das Versäumte nachzuholen.
    „Wollen wir auf die Couch gehen?“, fragte Mike und versuchte David anzutreiben.
    „Hm“, hauchte dieser leise und erhob sich. Unruhig folgte er Mike und setzte sich auf das weiche Sofa. Mike kuschelte sich an ihn und versuchte ihn mit zarten Liebkosungen in Stimmung zu bringen. Doch auch dieses Mal entzog sich David den Berührungen.
    „Ist irgendetwas mit dir? Stimmt etwas nicht?“ Mike spürte Davids seltsames Verhalten und wunderte sich sofort.
    David setzte sich auf und atmete tief ein. Jetzt war wohl der Moment gekommen, auf den er einerseits gewartet, aber vor dem er auch Angst hatte. „Mike, ich muss dir etwas sagen.“
    Mike richtete sich ebenfalls auf und sah seinen Freund fragend an. „Was denn?“
    David starrte zu Boden und suchte nach den richtigen Worten. Wie sollte er nur sagen, was er getan hatte?
    „David? Was ist denn? Was willst du mir sagen?“ Ein ungutes Gefühl machte sich in Mike breit.
    „Mike, es tut mir so unendlich leid“, wisperte David schließlich.
    Mike fasste ihn an den Schultern und drehte ihn zu sich herum. „Was tut dir leid? Ich verstehe nicht. Du machst mir Angst!“
    David schloss die Augen und atmete erneut tief durch. „Ich habe einen großen Fehler begangen, etwas, das nicht hätte passieren dürfen.“ Er machte eine Pause und wich Mikes Blicken aus. Er konnte ihm nicht in die Augen sehen. Nach wie vor lagen dessen Hände auf seinen Schultern. Mike zitterte leicht. „Ich war in Moskau an einem der Abende nicht allein. Ich meine, ich habe … da war so ein Typ … einer vom Hotel … und … na ja … ich war nicht stark genug … und … da ist etwas passiert … Mike, bitte verzeih mir! Es tut mir so unendlich leid. Ich schäme mich so.“
    Mikes Griff lockerte sich. „Heißt das, du … du hattest was mit diesem Typen?“ Tränen standen in seinen Augen, und seine Stimme bebte.
    David nickte langsam.
    Bleierne Stille füllte den Raum aus. David sah beschämt zu Boden, während Mike ihn mit tränenerfüllten Augen anstarrte. Dann stand dieser wortlos auf und ging zum Fenster. Er blickte ins Leere.
    David ließ ihm einige Minuten Zeit, bevor auch er sich erhob und an Mike herantrat. Er legte seine Hände auf dessen Schultern und versuchte, ihn zu sich herumzudrehen. „Mike, es tut mir leid. Ich kann auch nicht verstehen, warum es passieren konnte. Aber ich verspreche dir: Es wird nie wieder vorkommen. Bitte verzeih mir.“
    Doch Mike reagierte nicht, sondern stand nur regungslos da und sah zum Fenster hinaus. Sein Blick verschleierte sich hinter nicht enden wollenden Tränen.
    „Mike, so sag doch etwas! Mach mir Vorwürfe oder beschimpf mich! Aber bitte sag etwas!“
    Mike schüttelte Davids Hände von sich und ohne diesem ins Gesicht zu blicken, drehte er sich um und bewegte sich ans andere Ende des Raumes.
    „Ich habe einen dummen Fehler gemacht, das weiß ich. Es tut mir wirklich unendlich leid“, wiederholte David noch einmal.
    Mike wandte sich ihm zu und sah ihn ernst an.
    David hoffte auf die ersehnte Erlösung. Mike durfte ihn mit Vorwürfen überschütten und anschreien. Alles war besser, als diese scheinbar vollkommene Ruhe zu ertragen.
    „Weißt du, es ist ja nicht das erste Mal, dass ich so was erlebe. Mit der Zeit gewöhnt man sich schon fast daran. Ich scheine das wohl anzuziehen“, erklärte Mike mit zittriger, aber völlig gelassener Ruhe.
    „Mike, bitte. Es ist nicht deine Schuld. Ich …“
    „Sag bitte nichts mehr!“, unterbrach ihn dieser verbittert und machte eine kurze Pause. „Bitte geh jetzt!“
    „Mike, es tut mir leid. Kannst du mir nicht verzeihen?“, rief David verzweifelt.
    „Ich weiß es nicht. Ich will jetzt allein sein. Bitte geh!“, wisperte Mike erneut mit tränenerstickter Stimme, die kaum zu verstehen war.
    David nickte und ging.
     
    ***
     
    David wusste nicht, das wievielte Mal er mittlerweile versuchte, Mike anzurufen. Seit gestern tat er nichts anderes. Doch auch diesmal meldete sich nach schier endlosen Rufzeichen nur wieder die Mailbox. Mikes Stimme verkündete erneut, dass er zurzeit nicht erreichbar sei und man eine Nachricht hinterlassen solle.
    David hörte sich die Ansage nicht bis zum Ende an. Zum einen hatte er in den vergangenen Stunden bereits dreimal eine Botschaft ergebnislos hinterlassen, und zum anderen tat es ihm weh, Mikes Stimme zu hören.
    Dennoch machte er sich langsam Sorgen. Er hätte gestern Abend Mikes Drängen und der Bitte, ihn allein
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