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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig
Autoren: Shaya
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Wärme und beobachtete die Tauben, die sich bereits pickend dem Sockel der Statue näherten. Beiläufig schaute sie nach unten, wo das kleine Boot ihres Mannes im dunkelgrünen Wasser dümpelte. Es hatte in der Nacht geregnet, und sie wollte sehen, ob die Plane über dem Boot noch da war. Wenn der Wind sie gelöst hatte, mußte Nino hinuntergehen und das Boot ausschöpfen, bevor er zur Arbeit fuhr. Sie beugte sich vor, um besser sehen zu können.
    Zuerst dachte sie, es sei ein Müllsack, den die nächtliche Flut vom Ufer herübergeschwemmt hatte. Aber die Form war seltsam symmetrisch, länglich, mit zwei Ästen, die an den Seiten herausrag-ten, beinah als ob. . .
    Oh, Dio , japste sie und ließ ihre Kaffeetasse ins Wasser unter sich fallen, nicht weit entfernt von der seltsamen Form, die bäuch-lings im Kanal trieb.
    Nino, Nino , schrie sie, während sie sich zum Schlafzimmer umdrehte.
    Im Kanal treibt eine Leiche.
    Dieselbe Nachricht, Im Kanal treibt eine Leiche , weckte zwanzig Minuten später Guido Brunetti. Er stützte sich auf die linke Schulter und zog das Telefon zu sich aufs Bett.
    Wo?
    Santi Giovanni e Paolo. Vor dem Krankenhaus, Commissario , antwortete der Polizist, der ihn sofort angerufen hatte, nachdem die Meldung bei der Questura eingegangen war.
    Was ist passiert? Wer hat sie gefunden?
    fragte Brunetti, wäh-
    rend er die Beine unter der Decke hervorschwang und sich auf die Bettkante setzte.
    Ich weiß nicht, Commissario. Ein Mann namens Pianaro hat es telefonisch gemeldet.
    Und warum rufen Sie mich an?
    wollte Brunetti wissen, wobei
    er gar nicht erst versuchte, seine Verärgerung zu verbergen, die eindeutig ausgelöst war durch einen Blick auf das leuchtende Zifferblatt des Weckers: fünf Uhr einunddreißig. Was ist mit der Nachtschicht?
    Ist denn keiner da?
    Sie sind alle nach Hause gegangen, Commissario. Ich habe Boz-zetti angerufen, aber seine Frau sagt, er ist noch nicht zu Hause.
    Die Stimme des jungen Mannes wurde immer unsicherer, während er sprach.
    Da habe ich Sie angerufen, weil ich wußte, daß Sie Tagschicht haben.
    Und die begann, wie Brunetti sich sagte, in zweieinhalb Stunden.
    Er schwieg.
    Sind Sie noch da, Commissario?

    Ja, ich bin da. Und es ist halb sechs.
    Ich weiß , greinte der junge Mann.
    Aber ich konnte sonst nie-
    manden erreichen.
    Schon gut, schon gut. Ich gehe hin und sehe mir die Sache an.
    Schicken Sie mir ein Boot. Sofort.
    Angesichts der Uhrzeit und der
    Tatsache, daß die Nachtschicht schon weg war, fragte er: Ist jemand da, der es herbringen kann?
    Ja, Commissario. Bonsuan ist eben gekommen. Soll ich ihn schicken?
    Ja, und zwar sofort. Und rufen Sie die anderen von der Tagschicht an. Sie sollen mich dort treffen.
    Ja, Commissario , antwortete der junge Mann, dem man die Er-leichterung darüber anhörte, daß jemand die Sache übernahm. Und benachrichtigen Sie Dottore Rizzardi. Bitten Sie ihn, so schnell wie möglich hinzukommen.
    Ja, Commissario. Noch etwas, Commissario?
    Nein, nichts weiter. Aber schicken Sie das Boot. Sofort. Und sagen Sie den anderen, wenn sie vor mir da sind, sollen sie absperren.
    Niemand darf in die Nähe der Leiche.
    Wie viele Beweise wurden
    schon vernichtet, während er jetzt sprach, wie viele Zigarettenkippen weggeworfen, wie viele Paar Schuhe waren übers Pflaster geschlurft?
    Ohne ein weiteres Wort legte Brunetti auf.
    Neben ihm im Bett regte sich Paola und sah mit einem Auge zu ihm auf, das andere war von ihrem schützend gegen das Licht erhobenen nackten Arm verdeckt. Sie gab einen Laut von sich, den er aus langer Erfahrung als Frage erkannte.
    Eine Leiche im Kanal. Sie kommen mich abholen. Ich rufe dich an.
    Der Laut, mit dem sie das aufnahm, klang zustimmend. Sie drehte sich auf den Bauch und schlief schon wieder, sicher der einzige Mensch in der ganzen Stadt, den es nicht interessierte, daß in einem der Kanäle eine Leiche trieb.
    Er zog sich rasch an, beschloß aufs Rasieren zu verzichten und ging in die Küche, um zu sehen, ob noch Kaffee da war. Er öffnete den Deckel der Caffettiera und stellte fest, daß noch ein kleiner Rest vom Abend übrig war. Obwohl er aufgewärmten Kaffee verabscheute, schüttete er ihn in einen Topf und drehte die Gasflamme hoch, während er dabeistand und wartete, daß es kochte. Als es soweit war, goß er das dickflüssige Gebräu in eine Tasse, löffelte drei Stück Zucker hinein und trank schnell aus.
    Das Klingeln der Türglocke zeigte die Ankunft des Polizeiboots an. Er warf einen Blick auf
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