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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig
Autoren: Shaya
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seine Armbanduhr. Acht Minuten vor sechs. Das mußte Bonsuan sein, kein anderer war in der Lage, ein Boot so schnell hierherzubringen. Er holte ein wollenes Jackett aus dem Schrank neben der Wohnungstür. Septembermorgen konnten kalt sein, und womöglich war es auch noch windig bei SS. Giovanni e Paolo, so nah am offenen Wasser der Lagune.
    Am Fuß der fünf Treppen angelangt, öffnete er die Haustür und stand Puccetti gegenüber, einem Rekruten, der noch keine fünf Monate bei der Polizei war.
    Buon giorno, Signor Commissario , sagte Puccetti fröhlich und salutierte. Viel mehr Lärm und Bewegung, als Brunetti zu dieser Stunde für angemessen hielt.
    Er antwortete mit einer Handbewegung und eilte die schmale Calle entlang, in der er wohnte. Auf dem Wasser sah er das Polizeiboot mit seinem rhythmisch blinkenden Blaulicht am Landesteg liegen.
    Am Steuer erkannte er Bonsuan, einen Polizeibootführer, in dessen Adern das Blut zahlloser Generationen von Buranofischern floß –
    Blut, das sich inzwischen mit Lagunenwasser gemischt haben mußte
    – und der ein instinktives Wissen über Gezeiten und Strömungen in sich trug, das es ihm erlaubt hätte, die Kanäle der Stadt mit geschlossenen Augen zu durchfahren.
    Bonsuan, vierschrötig und vollbärtig, quittierte Brunettis Ankunft mit einem Nicken, ebenso ein Zugeständnis an die Tageszeit wie an seinen Vorgesetzten. Puccetti sprang an Deck zu zwei dort wartenden, uniformierten Polizisten. Einer von ihnen machte die Leine los, und Bonsuan lenkte das Boot rasch rückwärts hinaus in den Canal Grande, wo er es scharf herumschwang und zurück in Richtung Rialto-Brücke fuhr. Sie glitten unter der Brücke hindurch und in einen Einbahnkanal zur Rechten. Kurz darauf bogen sie nach links ab, dann wieder rechts. Brunetti stand an Deck, den Kragen gegen den Wind und die morgendliche Kühle hochgeschlagen. Die Boote auf beiden Seiten des Kanals schaukelten in ihrem Kielwasser, und andere, die mit frischem Obst und Gemüse von Sant’ Erasmo her-einkamen, wichen beim Anblick des Blaulichts seitlich in den Schutz der Häuser aus.
    Endlich bogen sie in den Rio dei Mendicanti, den Kanal der neben dem Krankenhaus und dann hinaus in die Lagune floß, genau gegenüber dem Friedhof. Die Nähe des Friedhofs war höchstwahr-scheinlich Zufall, doch die meisten Venezianer, die eine Behandlung im Krankenhaus überlebt hatten, sahen in der Lage des Friedhofs einen stummen Kommentar zur Tüchtigkeit des Krankenhausperso-nals.
    Auf halbem Weg sah Brunetti zur Rechten eine kleine Menschen-gruppe zusammengedrängt am Ufer stehen. Bonsuan brachte das Boot fünfzig Meter weiter vorne zum Halten, ein in Brunettis Augen absolut nutzloser Versuch, irgendwelche Spuren am Fundort der Leiche durch ihre Ankunft nicht zu zerstören.
    Einer der Polizisten kam zum Boot und streckte Brunetti die Hand entgegen, um ihm beim Aussteigen behilflich zu sein.
    Buon
    giorno, Signor Commissario. Wir haben ihn herausgeholt, aber wie Sie sehen, haben wir schon Gesellschaft bekommen. Er deutete auf die neun oder zehn Leute, die sich um etwas auf dem Boden scharten und mit ihren Körpern Brunettis Blick darauf verdeckten.
    Der Polizist wandte sich wieder den Leuten zu und sagte im Gehen:
    Polizei. Zurücktreten, bitte.
    Das Nahen der beiden Männer,
    nicht der Befehl, bewog die Leute Platz zu machen.
    Auf dem Boden sah Brunetti den Körper eines jungen Mannes auf dem Rücken liegen, dessen offene Augen ins Morgenlicht starrten.
    Neben ihm standen zwei Polizisten, die Uniformen bis an die Achseln durchnäßt. Beide salutierten, als sie Brunetti sahen. Sowie sie die Hände wieder an die Hose legten, tropfte neben ihnen Wasser auf den Boden. Er erkannte sie. Luciani und Rossi, beides gute Leute.
    Und?
    fragte Brunetti, während er auf den Toten hinuntersah.
    Luciani, der Dienstältere, antwortete: Er trieb im Kanal, als wir ankamen, Dottore. Ein Mann in dem Haus da drüben , er deutete auf ein ockerfarbenes Haus auf der gegenüberliegenden Seite des Kanals,
    hat uns angerufen. Seine Frau hat ihn entdeckt.
    Brunetti drehte sich um und schaute zu dem Haus hinüber.
    Vierter Stock , erklärte Luciani. Brunetti hob den Blick und sah gerade noch eine Gestalt vom Fenster zurückweichen. Während er sich das Gebäude und die Nachbarhäuser genauer ansah, bemerkte er eine ganze Reihe dunkler Schatten an den Fenstern. Einige zogen sich zurück, als er hinschaute, andere nicht.
    Brunetti wandte sich wieder Luciani zu und bedeutete ihm
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