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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig
Autoren: Shaya
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den Bericht so rasch wie möglich haben wollte, beschloß er, zum Mittagessen weder nach Hause noch in ein Restaurant zu gehen, obwohl er nach dem langen Vormittag hungrig war. Statt dessen entschied er sich für ein paar tramezzini und ging zu der Bar am Ponte dei Greci.
    Als er das Lokal betrat, begrüßte ihn Arianna, die Besitzerin, mit Namen und stellte automatisch ein Weinglas vor ihn auf den Tresen.
    Orso, ihr alter deutscher Schäferhund, der im Lauf der Jahre eine besondere Zuneigung zu Brunetti entwickelt hatte, erhob sich arthri-tisch von seinem üblichen Platz neben der Eistruhe und tapste zu ihm hin. Er wartete, bis Brunetti ihm den Kopf getätschelt und ihn sanft an den Ohren gezaust hatte, dann ließ er sich zu seinen Füßen nieder. Die vielen Stammkunden der Bar waren daran gewöhnt, über Orso hinwegzusteigen und ihm kleine Bissen zuzuwerfen. Er hatte eine besondere Vorliebe für Spargel.
    Welche hätten Sie gern, Guido?
    fragte Arianna, womit sie die
    tramezzini meinte, und goß dabei unaufgefordert Rotwein in sein Glas.
    Ich hätte gern eines mit Schinken und Artischocken, und eines mit Shrimps.
    Zu seinen Füßen begann Orsos Schwanz wie ein Ven-tilator gegen sein Fußgelenk zu wedeln. Und eins mit Spargel. Als die Sandwichs kamen, bat er um ein weiteres Glas Wein und trank langsam, während er daran dachte, wie sich die Dinge komplizieren würden, wenn der Tote tatsächlich ein Amerikaner war. Er wußte nicht, ob es Probleme wegen der Zuständigkeit geben würde, und beschloß, darüber nicht nachzudenken.
    Als wollte sie genau das verhindern, sagte Arianna: Schlimm,
    das mit dem Amerikaner.
    Wir sind nicht sicher, ob es einer ist, noch nicht.
    Also, wenn es einer ist, schreit garantiert bald einer >Terrorismus!<, und das ist für keinen gut. Obwohl sie gebürtige Jugoslawin war, dachte sie ganz venezianisch: das Geschäft geht vor.
    In dieser Gegend spielt sich einiges mit Drogen ab , fügte sie hinzu, als könnte schon die bloße Erwähnung die Sache zu einem Drogenfall machen. Brunetti fiel ein, daß sie auch ein Hotel besaß und allein schon der Gedanke an Terrorismus sie deshalb mit be-rechtigter Panik erfüllen mußte.

    Ja, wir überprüfen das, Arianna. Danke.
    Während er sprach,
    löste sich ein Stück Spargel von seinem Sandwich und fiel direkt vor Orsos Nase auf den Boden. Und als das verschwunden war, ein weiteres. Der Hund hatte Schwierigkeiten, auf die Beine zu kommen; warum ihm sein Essen also nicht servieren?
    Brunetti legte einen Zehntausendlireschein auf den Tresen und steckte das Wechselgeld ein, als Arianna es ihm gab. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, den Betrag in die Kasse zu tippen, so daß die Summe unregistriert und also auch unversteuert blieb. Brunetti hatte schon vor Jahren aufgehört, sich Gedanken um diesen ständigen Betrug am Staat zu machen. Sollten die Beamten der Finanzbehörde sich damit befassen. Nach dem Gesetz mußte sie den Betrag eintippen und ihm eine Quittung aushändigen; wenn er oh-ne den Beleg die Bar verließ, konnten sie beide zu Geldstrafen in Höhe von Hunderttausenden von Lire verurteilt werden. Oft warteten die Beamten der Finanzbehörde vor Bars, Geschäften und Restaurants und beobachteten den Gang der Dinge durch die Fenster, um dann die Herauskommenden anzuhalten und ihre Quittung zu verlangen. Aber Venedig war eine kleine Stadt, und alle von der Finanzbehörde kannten ihn; er würde also nie angehalten werden, es sei denn, sie holten sich Hilfe von außerhalb und veranstalteten, was die Presse einen
    Blitzkrieg
    nannte, indem sie im gesamten
    Geschäftsviertel der Stadt herumpirschten und Millionen Lire an Bußgeldern an einem Tag einnahmen. Und wenn sie ihn anhielten?
    Dann würde er seinen Ausweis zücken und sagen, er habe nur die Toilette benutzt. Aus denselben Steuern wurde sein Gehalt bezahlt; das stimmte. Aber das hatte für ihn und vermutlich auch für die Mehrheit seiner Mitbürger schon lange nichts mehr zu bedeuten.
    In einem Land, in dem die Mafia morden konnte, wann und wen sie wollte, sah Brunetti es kaum als großes Verbrechen an, wenn jemand für eine Tasse Kaffee keine Quittung vorzeigen konnte.
    Wieder an seinem Schreibtisch, fand er einen Zettel, auf dem er gebeten wurde, Dr. Rizzardi anzurufen. Als Brunetti das tat, erreichte er den Arzt noch in seinem Büro auf der Friedhofsinsel.
    Ciao, Ettore. Hier ist Guido. Was haben Sie herausgefunden?
    Ich habe mir sein Gebiß angesehen. Alles amerikanische Arbeit.
    Er
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