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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium
Autoren: Gmeiner-Verlag
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müssen. Es fehlte lediglich der Beweis, dass das konkrete Röntgenbild zu dieser Diagnose gezwungen hätte. Vielleicht war das Bild technisch fehlerhaft, ohne dass der Arzt dies erkannt hätte. All das musste man zugunsten von Hobbeling annehmen. Dass dies nicht so gewesen sein wird, liegt auf der Hand. Aber was nützt es? Der Arzt konnte sogar nachweisen, dass er das Röntgenbild von der ersten Untersuchung per Einschreiben an Rosell abgesandt hatte …«
    »Und …?«
    »Rosell behauptete, in dem als Einschreiben versandten DIN-A4-Umschlag seien Patientenunterlagen von ihm, aber eben kein Röntgenbild gewesen, und eine Praxisangestellte von Hobbeling sagte damals als Zeugin aus, dass neben den Unterlagen eben doch auch das Röntgenbild mit verschickt worden sei.«
    »Geschickt gemacht«, fand Stephan.
    »Ach Knobel, was heißt geschickt? Das Gericht hat der Praxishilfe auf den Zahn gefühlt. Es hielt sie für glaubwürdig. Irgendwann muss man im Prozess die Segel streichen, das wissen Sie doch selbst. Fakt ist, dass Rosell das Röntgenbild von der ersten Untersuchung nicht vorlegen konnte, der Arzt aber mit der Aussage seiner Angestellten nachweisen konnte, das Röntgenbild an den Patienten abgeschickt zu haben. Und da der Zugang des Einschreibens bei Rosell nachgewiesen war, lag es auch an Rosell, das Röntgenbild vorzulegen. Welches Interesse sollte Rosell haben, es nicht vorzulegen, wenn er es hatte? Nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft hätte er den Beweis führen können, dass der Arzt damals einen Fehler gemacht hatte. Als das zweite Röntgenbild ein dreiviertel Jahr später gemacht wurde, war es praktisch zu spät. Da war der Tumor bereits unheilbar. Als Hobbeling diese Diagnose stellte, hat Rosell die Befundunterlagen von einem Spezialisten prüfen lassen. Zu operieren war da nichts mehr. Das war sein Todesurteil.«
    »Und erst da hat Rosell das erste Röntgenbild angefordert?«
    »Ja, zusammen mit einer Kopie der anderen Patientenunterlagen. Der nachbehandelnde Arzt hat ihn darauf aufmerksam gemacht, dass sein Kollege wohl einen fatalen Diagnosefehler gemacht habe.«
    »Und so begann der Prozess gegen Hobbeling«, folgerte Stephan.
    »Und die Pressekampagne«, ergänzte Löffke. »Es war keine gute Presse für mich, den Prozess zu verlieren. Auch wenn die Zeitungen druckten, dass Rosell für meinen Einsatz dankte.«
    »Vermutlich vorbildlich wie immer«, feixte Stephan.
    »Sie hätten es nicht anders und auch nicht besser gemacht«, blieb Löffke nüchtern. »Aber vielleicht könnten Sie ja jetzt Ihre eigenen juristischen Wunderwaffen ziehen …« Löffke machte eine bedeutsame Pause. »Rosells Krankheit ist weit fortgeschritten. Wie es aussieht, wird er nur noch wenige Wochen leben.«
    Er legte die Akte gönnerhaft auf den Tisch.
    »Rosell will den Fall in gewisser Weise neu aufrollen.«
    »Ach, Löffke!« Stephan winkte ab. »Sie wissen doch selbst, dass das nicht geht. Wenn der entscheidende Beweis damals nicht geführt werden konnte, ist es heute nicht anders. Die Wahrheit ist doch, dass Sie sich mit diesem Fall nicht erneut blamieren wollen.«
    »So?« Löffke hob erstaunt die Augenbrauen und nahm die Akte betont behutsam, fast liebevoll wieder an sich.
    »Es wäre ein erster neuer Fall für Sie, Kollege Knobel«, gab er sich verwundert und eigentümlich beleidigt. »Und überdies einer, von dem Sie nur profitieren können. Denn wenn Rosell in seiner Verzweiflung einen Anwalt bittet, ihn vor seinem Tode zu seinem Recht zu verhelfen, dann ist das nichts anderes als ein ehrenvoller Auftrag. Niemand wird Ihnen übel nehmen, wenn Sie an einer unüberwindbaren rechtlichen Hürde scheitern. Es ist doch eher so, dass Sie Rosell seinen letzten Wunsch erfüllen. Und dafür wird jeder sensible Mensch Verständnis haben. Wenn Sie geschickt sind, können Sie sogar eindrucksvoll für sich werben …«
    Löffke grinste verschlagen.
    »Noch mal«, bohrte Stephan nach. »Warum nicht Sie?«
    »Sie werden Rosell auf seinem letzten Weg begleiten, Herr Knobel. Ich bitte nicht. Selbst wenn Sie mich anders einschätzen, Knobel: Für mich ist das nichts. Auch wenn vielleicht viel zu verdienen ist. Sie wissen, dass Rosell ein Tiefbauunternehmen hat. Er wird nicht über das Honorar feilschen, Knobel. Das Geld wird keine Rolle spielen. Das reizt natürlich. Aber einen Menschen sterben zu sehen …« Er schüttelte energisch den Kopf. »Nichts für mich, Knobel, wirklich nicht! Und letztlich bleibt die Angelegenheit
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