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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Briefumschlag, adressierte ihn an das Amtsgericht in Dortmund und bat eine Angestellte an der Rezeption, den Brief abzusenden.
     
     

38
    Justus Rosell verstarb am nächsten Morgen in den Armen seiner Frau. Julita teilte Stephan die Nachricht mit knapper SMS mit.
    »Sehr nüchtern«, stellte Marie fest. »Bist du sicher, alles richtig gemacht zu haben?«
    Stephan zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Sie will unbedingt das Geld, auch wenn sie es bestreitet. Wäre es ihr nicht so sehr ums Geld gegangen, hätten sie und Hobbeling nicht mit krimineller Energie versuchen müssen, in den Besitz der Vollmacht zu kommen. Ihr Handeln macht nur Sinn, wenn sie die Einleitung des Scheidungsverfahrens verhindern wollten. Schürmann hat beide auch an dieser Stelle richtig durchschaut und die Flucht aus Tasarte geschickt dazu genutzt, uns glauben zu machen, sie trachteten wegen des Wettlaufs mit dem Scheidungsantrag nun nach Rosells Leben. Julita mag gierig auf das Geld sein, aber sie oder Hobbeling waren nie darauf aus, Justus zu töten. Wie verwerflich Julitas Handeln auch sein mag: Ich hatte definitiv von Justus Rosell keine Vollmacht, die Scheidung einzureichen. Und ich werde nie wieder etwas für einen Mandanten tun, wenn ich nicht sicher weiß, dass er es will. – Es ist ein eigenartiger Fall«, resümierte er. »Ich glaube, ich habe mit meinem Mandanten insgesamt nicht mehr als zehn Sätze gesprochen. Ich habe jemanden vertreten, den ich gar nicht kannte.«
    ›Benachrichtigen Sie mich, wenn sich Schürmann meldet‹, schrieb er per SMS zurück. Stephan kondolierte nicht. Er hatte es bereits einmal getan. Julita blieb ihm fern. Er leitete ihre Kurznachricht vom Tod ihres Mannes an Schürmann weiter.
     
     

39
    Schürmann meldete sich knapp eine Woche später bei Julita Rosell. Er verlangte ein Viertel der Versicherungssumme für die Aushändigung des mit dem Eingangsstempel der Quovoria-Lebensversicherung versehenen Briefes von Justus Rosell, mit dem er die auflösende Bedingung des Bezugsrechts seiner Frau aufgehoben und zugleich bestimmt hatte, dass sie in jedem Falle in den Genuss der Versicherungssumme kommen solle. Frau Rosell solle sich in einer notariellen Urkunde verpflichten, das Geld an Schürmann zu zahlen, wenn sie die Versicherungssumme erhalte. Zugleich werde er arrangieren, dass Justus Rosells Brief in die bei der Versicherung geführte Akte gelange.
    Stephan schmunzelte. Diesen letzten Akt sollte also Frau Schürmann als Mitarbeiterin der Versicherung vollziehen.
    Marie rief Herrn Schwamhof an. Er würde mit Frau Rosell zum zuvor vereinbarten Übergabeort gehen und danach mit der Direktion der Gesellschaft über die weiteren rechtlichen Schritte gegen die Schürmanns beraten. Schwamhof notierte sich die wesentlichen Fakten. Zuletzt las Marie Stephans Schriftsatz an das Familiengericht in Dortmund vor: ›Namens und kraft Vollmacht meines Mandanten Justus Rosell nehme ich den Scheidungsantrag zurück.‹ Sie versprach Herrn Schwamhof, alle Schriftstücke in Fotokopie nachzureichen.
    »So richtig glücklich können wir nicht sein«, meinte Marie. »Julita bekommt Erbe und Versicherung, obwohl sie ihren Mann betrogen hat.«
    »Ich bin nicht glücklich, aber ich habe rechtlich das Richtige getan«, erwiderte Stephan. »Ich glaube ihr, dass Hobbeling Rosells Behandlung nicht vorsätzlich unterlassen hat. Wäre das der Fall gewesen, hätte Hobbeling das erste Röntgenbild überhaupt nicht an Justus Rosell verschickt. Warum sollte er das Risiko eingehen, dass Rosell das zentrale Beweisstück in die Hände bekommt? Dass Justus den Brief entgegengenommen hat, ist unbestritten. Also wird das Bild keinen Behandlungsfehler dokumentieren.«
    »Hattest du denn Vollmacht, den Scheidungsantrag zurückzunehmen?«
    »Das von Justus Rosell unterschriebene Vollmachtsformular berechtigt zu allen prozessualen Handlungen im selben Verfahren«, erklärte er. »Justus Rosell hatte mir mit seiner Unterschrift praktisch einen Freibrief erteilt. Und weil die Rücknahme des Scheidungsantrages vorab per Telefax noch vor Rosells Tod bei Gericht einging, ist es rechtlich so, als wäre nie die Scheidung beantragt worden.«
    »Recht ist komisch«, schloss sie.
    »Recht komisch«, nickte er, »und gefährlich, wenn man es missbraucht.«
     
     

40
    Hubert Löffke saß in ungewohnt artiger Pose in Stephans Büro. Er legte den Zeitungsbericht zur Seite, den er eben gelesen hatte. Die Zeitung berichtete dünn, dass Justus Rosells
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