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Endstadium

Endstadium

Titel: Endstadium
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Wir hatten einen Zettel an die Haustür der Rosells geklebt und darauf gebeten, dass sich Frau Rosell bei uns melden möge. Die Frau Rosell war ganz aufgelöst …«
    Er beschrieb den Weg zum Krankenhaus.

36
    Julita Rosell saß am Bett ihres Mannes. Man hatte ihn in ein Einzelzimmer gelegt. Seine Augen waren geschlossen, die Atmung flach.
    Frau Rosell stand auf, als sie Marie und Stephan hinter sich bemerkte. Sie gingen hinaus und nahmen in einer Sitzecke hinter einer Glastür Platz, die die Abteilung für Innere Medizin vom Flur trennte. Es roch nach Reinigungsmitteln und Medikamenten. Die großflächigen Fenster gingen auf den Hof des Krankenhauses. Dort standen die Autos der Ärzte und Pfleger.
    »Hier ist nichts von der Schönheit Gran Canarias«, sagte Frau Rosell hilflos. Sie sah beschämt zu Boden. »Mein Mann wird hier sterben, das steht fest. Ich will mich auch nicht mehr lange mit Ihnen unterhalten. Ich bedaure, dass wir Sie eingesperrt haben. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Sie haben in Justus’ Namen die Scheidung eingeleitet. Unsere Haushälterin hat mir vorgelesen, was Sie geschrieben haben, Herr Knobel.« Jetzt hob sie den Kopf und sah Stephan ins Gesicht, fest und trotzig stolz. »Alles, was Sie schreiben, ist wahr«, gestand sie freimütig. »Aber Sie wissen, dass Sie keinen Auftrag seitens meines Mannes hatten, Herr Knobel. Sie müssen das mit Ihrem Gewissen vereinbaren, so wie Jens und ich zu verantworten haben, dass wir Sie nach Tasarte gelockt und schließlich eingesperrt haben. In der Summe hebt sich alles auf, und deshalb bedaure ich auch nichts. Jens und ich sind seit Jahren ein Paar. Die Ehe mit Justus ist seit Langem erkaltet, und sie war schon am Ende, als ich Jens über den Steuerberater kennenlernte, für den ich damals arbeitete. Unsere Liebe nahm ihren Anfang, und ich darf sagen, es ist meine erste wirkliche Liebe überhaupt. Als bei Justus Symptome einer ernsthaften Erkrankung auftraten, schickte ich ihn zu Jens, einzig aus dem Grund, weil er ein Arzt ist. Ich wollte, dass Justus gut behandelt wird. Erst später erfuhr ich, dass Justus bei Jens längst nicht alles über das Ausmaß seiner Beschwerden erzählt hatte. Er hatte teils verschwiegen und teils verharmlost. So, wie es Jens auch später in dem Prozess ausgesagt hatte. Jens hatte mir vorher nichts davon erzählt, denn er nahm seine ärztliche Schweigepflicht ernst. Ich war im Begriff, mich von Justus zu trennen, als die tödliche Diagnose kam. Sie mögen denken, was Sie wollen, aber es wäre unanständig gewesen, wenn ich mich in dieser Situation von Justus getrennt hätte. Sie werden denken, dass es mir nur um das Geld gegangen ist. Aber ich darf Ihnen versichern, dass es nicht so war. Trotz unserer verloren gegangenen Liebe ist Justus ein guter Mensch, der meine Zuwendung und Sorge bis zu seinem Tod braucht und verdient. Bezichtigen Sie mich nicht der Überheblichkeit, Herr Knobel! Als Justus die tödliche Diagnose erhielt, forderte er von Jens das erste Röntgenbild an. Er tat es mit einem freundlichen Anschreiben, aus dem zwar die Verzweiflung, aber in keiner Weise die boshafte Absicht sprach, Jens für dieses schlimme Schicksal verantwortlich machen zu wollen. Jens schickte ihm also arglos das Bild. Justus hat den Brief entgegengenommen, und nur er hat das Bild vernichtet. - Dass Jens das Bild abgesandt hat, ist bewiesen. Justus wird es unterschlagen haben, weil es eben keinen Beweis dafür lieferte, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme die Krankheit schon erkennbar war. Jens ist ein gewissenhafter Arzt. Mein Mann verstieg sich in seinen Hass gegen ihn, weil er einen Schuldigen für sein Schicksal suchte. Justus, der Ärzten stets misstraut hatte, fand in Jens den Brennpunkt, auf den er seinen Hass konzentrieren konnte. Ich bin mir sicher, dass er den Prozess gegen Jens nur begann, um Jens in der Öffentlichkeit schlecht zu machen. Dass er diesen Prozess nicht gewinnen konnte, wird er gewusst haben. Es war auch Justus’ Wille, erneut an die Medien zu gehen und anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, als wir nach Gran Canaria übersiedelten. Ihr Auftrag war, Jens zu schädigen, und ich habe mich nach Kräften bemüht, diesen Krieg zu bremsen. Jens verteidigte sich mit seinem Anwalt, wie es erforderlich war. Er konnte nicht zulassen, von Justus grundlos vernichtet zu werden. - Selbstverständlich habe ich meinem Mann gegenüber die Beziehung zu Jens bis zum heutigen Tage verheimlicht. Warum sollte ich ihm in seinem Zustand
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