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Endlich

Endlich

Titel: Endlich
Autoren: Christopher Hitchens
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gezeichnete Atheist Hitchens der eindeutige Sieger. Er war stark abgemagert, manchmal griff er sich im Reflex an die plötzlich kahle Stirn auf der Suche nach seiner verschwundenen Haarpracht, aber er war von einer phantastischen Präsenz. Und es war nicht der Bonus für den Todkranken und auch nicht sein Witz, der die Herzen der Zuhörer gewann. Er hatte die überzeugenderen Argumente.
    Damals schrieb ich an ihn:
    Genosse, als ich zuerst von deiner Entscheidung hörte, in aller Öffentlichkeit über deine Krankheit zu sprechen, hatte ich als jemand, der in protestantischen Traditionen aufgewachsen ist, meine Bedenken. Inzwischen habe ich mir einige deiner Auftritte angesehen – und kann nicht genug davon sehen. Das ist Christopher, der Tapfere, der Mutige, der irreducibile , wie es auf Italienisch heißen würde – das ist Christopher der Große. Wenn es irgendjemanden gibt, der die bösen Geister mit der Macht seiner Worte, mit Mut und Humor vertreiben kann, dann bist du es. Meine Gedanken und meine Liebe suchen dich jenseits des Atlantik. Und wenn du an Silvester die Umarmung eines unsichtbaren Freundes spürst, dann sollst du wissen, dass sie von mir kommt, von deinem Freund in Berlin.
    Christopher schrieb zurück:
    Well, ich hatte selber einige Bedenken, einschließlich jener, die aus meiner eigenen anglo-protestantischen Herkunft stammen. Aber ihnen nachzugeben, hätte geheißen, mit vielen meiner alten Freunde nicht mehr zu sprechen – eine Art selbstgenügsamer Dünkel –, und ich hätte mich mit vielen leeren Stunden allein gelassen, die ich nicht hätte ausfüllen können. Ich hoffe, ich habe die richtige Art gefunden, es zu tun: Einige Reaktionen von anderen Leidensgenossen sind ermutigend gewesen. Danke für deine freundlichen Worte. Ich fühle die »kameradschaftliche« Umarmung durch den Äther und würde eine Menge dafür geben, sie in einer näheren Umgebung zu erleben.
    Brüderlich wie immer
    Christopher
    Er war seit vielen Jahren eine öffentliche Person gewesen, die sich jedem Streit stellte, und hatte beschlossen, auch seine letzte Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit auszutragen. Er tat dies nicht, weil er glaubte, seinen Lesern gegenüber eine bestimmte Mission erfüllen zu müssen – für ein bestimmtes Heilverfahren, für eine bestimmte moralische Haltung, die nach Nachahmung verlangte. Mit kühler Präzision, als ein Reporter seines eigenen körperlichen Verfalls, verzeichnet er den Prozess, in den die Krankheit seinen Körper und seinen Geist verwickelte. Dazu gehörten auch die oft hilflosen Reaktionen und falschen Ermutigungen, die seine Krankheit bei vielen Freunden hervorrief:
    Die Leute haben nicht Krebs – man hört von ihnen, dass sie gegen den Krebs kämpfen. Kein wohlmeinender Freund, der einem alles Gute wünscht, lässt die kämpferische Redensart aus: Das packst du. Selbst in den Nachrufen auf Krebsverlierer steht es, als könne man vernünftigerweise von jemandem sagen, er sei nach einem langen und tapferen Kampf gegen die Sterblichkeit nun tot. Man hört so etwas nicht bei Menschen, die lange an einer Herzkrankheit oder an Nierenversagen gelitten haben.
    Mit gelassenem Spott greift er die Haltung der Gesundheitsapostel an, die den Tod für etwas grundsätzlich Vermeidbares halten. Glaube man ihnen, so gebe es kaum eine Krankheit, an der man nicht selber schuld sei: Wer stirbt, habe etwas falsch gemacht. Er nimmt zur Kenntnis, dass fromme Leser eine Website für den Atheisten Hitchens eingerichtet haben, um gemeinsam für ihn zu beten, und hält ihnen entgegen: Offenbar gehe es ihnen mehr um die Errettung seiner Seele, als um seine Heilung. Aber auch auf die Rachsucht seiner Feinde geht er ein. Er zitiert eine gottesfürchtige Hasserin, die seine Krankheit als eine gerechte Strafe für den Autor von God is not great begrüßt. Sie macht sich Gedanken, ob es etwa ein »Zufall« ist, dass Christopher Hitchens ausgerechnet in jenem Teil seines Körpers Krebs entwickelt, »den er zum Lästern gebraucht hat? Ja glaubt nur weiter daran, ihr Atheisten. Er wird sich in größten Schmerzen winden und dahinsiechen und dann eines schrecklichen qualvollen Todes sterben und DANN geht der Spaß erst los, wenn er ins HÖLLENFEUER geschickt wird um dort gefoltert und gebrannt zu werden.«
    »Die rächende Gottheit«, antwortet er, »hat ein peinlich geschrumpftes Arsenal, wenn ihr nichts anderes einfällt als genau die Art Krebs, den mein Alter und mein einstiger Lebensstil
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