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Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)

Titel: Endlich wieder Weiberabend: Roman (German Edition)
Autoren: Joanne Fedler
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Arme aus und ziehe Helen an mich.
    »O Gott, jetzt geht’s los«, sagt Helen, aber sie legt die Arme um mich, und ich fühle ihr Herz in ihrer Brust hämmern.
    Ich drücke mein Gesicht an ihres, und meine Wange ist nicht nur von meinen eigenen Tränen feucht.
    »Du wirst nicht mal merken, dass ich weg bin«, sagt sie und vergräbt das Gesicht in meinem Haar.
    »Allerdings«, sage ich. »Es wird höchstens eine Erleichterung sein, wenn du mir nicht mehr ständig gute Ratschläge gibst, mich zu mästen versuchst und mich herumkommandierst.«
    »Ich will nicht, dass du einen Aufstand darum machst«, sagt sie und löst sich von mir.
    »Ich habe nächstes Jahr den ganzen Mai in Kalifornien zu tun«, sagt Virginia. »Wir drehen da vier Wochen lang. Dann sehen wir uns. Wann erfährst du denn, wo genau ihr hinzieht?«
    Die beiden fangen an, Pläne für Kalifornien zu schmieden. Ich stehe da und schaue in den Morgennebel, der über Blind Rise Ridge aufsteigt. Alles verändert sich so schnell. Aus dem Morgen ist längst Nachmittag geworden, ehe wir es gemerkt haben. Da reist man aufs Land und hat ein ganzes Wochenende vor sich, und plötzlich ist es Zeit, zusammenzupacken und nach Hause zu fahren. Ich kann das einfach nicht – Dinge festhalten. Genauso wenig wie loslassen.
    »He«, sagt Maeve und legt mir eine Hand auf den Arm. »Was hältst du von einem letzten Spaziergang, ehe wir uns auf den Weg machen?«

22  Auf dem Markt

    D as da ist ein Schwarzkehlfink«, flüstert Maeve und zeigt auf einen Baum vor uns. Sie hat mich an dem Gedenkgarten vorbei und um den Teich herum dorthin geführt, wo der Damm zum Wald hin absinkt.
    »Wo gehen wir hin?« Ich habe Mühe, mitzuhalten.
    Sie marschiert voran, den Blick auf den Vogel geheftet, als wäre er ihr Polarstern.
    Ich weiß nicht viel mehr über Vögel, als dass sie wegfliegen, kaum dass man nah genug herangekommen ist. Maeve bewegt sich schnell und ruhig, als wäre sie ihnen schon öfter gefolgt. Wir gehen am Waldrand entlang. Wie kann sie aus dieser Entfernung überhaupt erkennen, was das für ein Vogel ist? Nach einer Weile ist das Haus nicht mehr zu sehen. Wir sind mindestens einen Kilometer vom Ende des Damms weg. Als Maeve zwischen Bäumen hindurch in den Wald schlüpft, ist für mich Schluss.
    »Maeve, wir sollten lieber vorsichtig sein. Am Ende verlaufen wir uns noch da drin.«
    Ich sehe sie fünfzig Meter vor mir. Sie schlängelt sich zwischen den Bäumen hindurch, bleibt dann stehen und blickt auf. Ich winke ihr zu. Sie legt den Zeigefinger an die Lippen und ermahnt mich, still zu sein. Vorsichtig schleiche ich durch den Wald, bis ich endlich neben ihr stehen bleibe.
    »Zu schade, dass ich mein Fernglas nicht dabeihabe«, flüstert sie.
    In einem Baum vor uns sitzt ein kleiner Vogel mit orangerotem Bauch und schwarzer Brust auf einem Zweig. Dafür setzen wir hier unser Leben aufs Spiel?
    »Schwarzkehl-Ammerfinken sind eine stark gefährdete Art. Weißt du eigentlich, welches Glück wir haben, einen zu sehen?«
    Offensichtlich nicht. Ich zucke die Schultern und flüstere ein schwächliches: »Wow.«
    Maeve schaut mich mit großen Augen an. »Sie sind unmittelbar vom Aussterben bedroht.«
    Ich sehe ihr an, dass diese Tatsache ihr Kummer bereitet, den ich nicht nachvollziehen kann. Sie erzählt mir etwas, das ihr viel bedeutet, und ich reagiere derart flapsig.
    »Das ist … schrecklich«, ringe ich mir ab.
    »Ja, denn wenn sie weg sind, sind sie weg. Für immer.«
    Sie späht zu dem Fink hoch, seufzt tief und stützt sich an den Baumstamm. In diesem Blick sehe ich eine Art Liebe, die ich wiedererkenne. Maeve betrachtet die ganze Welt als ihre Verantwortung. Ihre Bestürzung ist keineswegs exklusiv. Ihre Fürsorge ist weder egoistisch, noch steckt irgendein Besitzanspruch dahinter. Als sie in die Fußstapfen ihrer Schwester trat, war ihr bewusst, dass sie in Zukunft für alles verantwortlich sein würde, das Fürsorge braucht. Im Gegensatz zu mir, denn der Rest der Welt kümmert mich viel weniger, seit ich Mutter bin. Als man mir Jamie unmittelbar nach der Geburt in den Arm gelegt hat, waren die Welt und all ihr Leid, ihre Kämpfe, Missstände und Probleme mit einem Schlag absolut zweitrangig.
    Manchmal ist es schwer, zu sagen, ob die Mutterschaft mich ganz und gar egoistisch oder vollkommen selbstlos gemacht hat. Meine Kinder sind die Bedeutung, die ich allem zumesse. Die Gefahr einer Atomkatastrophe, die Umweltzerstörung, steigende Lebenshaltungskosten, wen ich
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