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Ende (German Edition)

Ende (German Edition)

Titel: Ende (German Edition)
Autoren: David Monteagudo
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gewandt, «spiel die CD nicht noch mal. Wenn alle hier sind, werden wir sie noch oft genug hören.»
    «Was mache ich jetzt? Die Akkordarbeit hier lässt ja nicht zu, dass ich mich nur dem Denken widme. Offenbar wollt ihr die Party und die ganze Herberge in eine Kolchose verwandeln: Schuften von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang im Dienste des Politbüros für Nostalgie.»
    «Geh doch mal raus und sieh nach, ob es aufklart.»
    «Genau», pflichtet ihr Amparo bei, «bring uns die neueste Meldung von der Wetterfront.»
    «Ich hätte Angst, allein da rauszugehen», gesteht Nieves. «Es ist stockdunkel. Als ich jung war, hatte ich weniger Angst.»
    Nieves hat es leise zu Amparo gesagt, aber nicht leise genug für Ibáñez.
    «Keine Sorge», sagt er auf der Türschwelle. «Solange die anderen fortpflanzungsfähigen Männchen noch nicht hier sind, übernehme ich die Rolle des Alphatiers und lege mich mit den wilden Tieren da draußen an.»
    Dann verschluckt ihn die Dunkelheit. Amparo, die ihm den Rücken zugekehrt hat, scheint keine Notiz von seiner Bemerkung genommen zu haben.
    «Es ist verdammt schnell dunkel geworden, oder?», stellt sie fest.
    «Ja, wegen dieser blöden Wolken. Und es weht kein Lüftchen! Dabei hat alles so gut angefangen, selbst der Mond hat mitgespielt.»
    «Was ist mit dem Mond?»
    «Wir haben Halbmond. Dadurch sind die Sterne besser zu sehen. Bei Vollmond sieht man sie lange nicht so gut.»
    «Wir hätten schon am Nachmittag herkommen sollen», sagt Amparo. «So wie früher. Aber heutzutage sind ja alle nur im Stress.»
    «War ein hartes Stück Arbeit, alle zusammenzukriegen.»
    «Dabei hab ich im Moment selber jede Menge um die Ohren», erklärt Amparo. «Meine Mitbewohnerin und ich putzen jeden Tag, kaufen neue Möbel, misten aus.»
    «Hat sie sich auch getrennt?»
    «Ana? Klar, deshalb verstehen wir uns ja so gut. Wir Frauen müssen zusammenhalten, dann brauchen wir die Männer nicht. Ana und ich, wir kümmern uns umeinander, denn allein zu leben ist kein Zuckerschlecken. Tagsüber sehen wir uns zwar kaum, aber abends essen wir immer zusammen. Es tut gut zu wissen, dass nebenan jemand schläft.»
    «Hat sie keine Kinder?»
    «Ihre Kinder sind schon unter der Haube oder sonst wie liiert. Sie ist nicht viel älter als ich, hat aber früh geheiratet.»
    «Wieso hast du sie nicht mitgebracht?»
    «Spinnst du? Da würden doch alle denken, ich bin eine Lesbe! Auf so was warten die Männer nur. Wenn sie mitkriegen, dass zwei Frauen zusammenwohnen, ist für sie die Sache klar. Dabei nervt es sie nur, dass wir sie nicht brauchen, dass wir auch ohne ihren ‹Schutz› gut zurechtkommen.»
    «Ja, ich weiß, wovon du sprichst.»
    «Dann muss ich es dir ja nicht weiter erklären.»
    «Nein, auch ich musste nämlich …»
    Nieves verstummt, weil plötzlich Ibáñez in der Tür steht.
    «Und? Wie sieht’s aus?», fragt Nieves. «Reißt der Himmel auf?»
    «Nein. Nach wie vor total bewölkt.»
    «Wieso warst du so lange weg?», will Amparo wissen.
    «Ich hab ein paar Ausflügler getroffen.»
    «Ausflügler?», ruft Amparo ungläubig. «Um diese Uhrzeit?»
    «Ja, und zwar bestens ausgerüstete Ausflügler, die hatten sogar Stirnlampen.»
    «Stirnlampen?»
    «Ja, diese Dinger, die man sich um den Kopf bindet, wie Bergleute. Ich hab sie zu unserer Party eingeladen, aber sie wollten lieber gleich ihre Zelte aufschlagen, unten am Fluss, weil sie früh rausmüssen für ihre Klettertour.»
    «Ah, Bergsteiger», sagt Nieves.
    «Ganz genau. Sie hatten jede Menge Seil dabei. Und einen Haufen Krimskrams aus Aluminium. Und sie hatten Kletterhosen an.»
    «An einem Fluss zu zelten ist gefährlich», meint Amparo.
    «Das müsstest du mir näher erläutern», fordert Ibáñez, «Schließlich ist die Geschichte der Menschheit geprägt von Siedlungen ‹an einem Fluss›.»
    «Ich meine wegen der Überschwemmungen, du Idiot», erwidert Amparo. Und fügt in sanfterem Ton hinzu: «Ein Fluss kann plötzlich anschwellen. Erinnere dich nur an unseren Campingausflug. Da wären wir beinahe alle ertrunken. Oder fast alle.»
    «Damals hat es sintflutartig geregnet», beschwichtigt sie Nieves. «Dieses Jahr ziehen zwar immer wieder Wolken auf, aber es ist schon seit zwei Monaten kein Tropfen mehr gefallen.»
    «Wie auch immer», schaltet sich Ibáñez ein und sieht auf seine Armbanduhr. «Hoffentlich kommt bald jemand. Wäre nicht schlecht, wenn wir noch andere Meinungen einholen könnten.»
    «Ich habe neun Uhr gesagt», beschwert
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