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Emil und die drei Zwillinge

Emil und die drei Zwillinge

Titel: Emil und die drei Zwillinge
Autoren: Erich Kästner
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soll. Und wenn er mir erzählt, man hätte ihm hundertvierzig Mark gestohlen, klettre ich auf den nächsten Baum.
    Ich ging also zu dem Jungen, der auf dem Koffer saß, und sagte: „Guten Tag. Wo fehlt’s denn?“

    Aber er schien nicht nur auf dem Koffer, sondern auch auf den Ohren zu sitzen. Er antwortete nicht und blickte unausgesetzt nach dem Cafe hinüber.
    „Hat man dir vielleicht zufällig 140 Mark gestohlen ?“ fragte ich.
    Da blickte er auf, nickte und sagte: „Jawohl. Der Halunke dort drüben auf der Terrasse, der war’s.“ Ich wollte gerade mit dem Kopf schütteln und dann, weil ich’s mir vorgenommen hatte, auf den nächsten Baum klettern, als es laut hupte. Wir fuhren erschrocken herum. Doch hinter uns stand gar kein Auto, sondern ein Junge, der uns auslachte.
    „Was willst du denn hier?“ fragte ich.
    Er hupte noch einmal und meinte: „Mein Name ist Gustav.“ Mir blieb die Spucke weg. Das war ja ein tolles Ding! Träumte ich auch ganz bestimmt nicht ?
    Da kam ein fremder Mann quer über die Trautenaustraße gerannt, fuchtelte mit den Armen, blieb dicht vor mir stehen und brüllte: „Machen Sie sich gefälligst schwach! Mischen Sie sich nicht in fremde Angelegenheiten! Sie schmeißen uns ja die ganze Außenaufnahme!“
    „Was denn für ‘ne Außenaufnahme?“ fragte ich neugierig.
    „Sie sind ja reichlich begriffsstutzig“, meinte der wütende Mann.
    „Das ist bei mir ein Geburtsfehler“, entgegnete ich.
    Die beiden Jungen lachten. Und Gustav mit der Hupe sagte zu mir: „Mann, wir drehen doch hier einen Film!“
    „Natürlich“, erwiderte der Junge mit dem Koffer. „Den Emil-Film. Und ich bin der Emil-Darsteller.“
    „Sehen Sie zu, daß Sie weiterkommen“, bat mich der Filmonkel. „Zelluloid ist teuer.“
    „Entschuldigen Sie die kleine Störung“, antwortete ich. Dann ging ich meiner Wege. Der Mann rannte zu einem großen Auto, auf dem eine Filmkamera montiert war und auf dem der Kameramann stand und nun wieder zu kurbeln begann.
    Ich spazierte nachdenklich zum Nikolsburger Platz und setzte mich auf eine der Bänke. Dort blieb ich lange sitzen und blickte leicht verblüfft vor mich hin. Ich hatte zwar gewußt, daß die Geschichte von Emil und den Detektiven verfilmt werden sollte. Aber ich hatte es wieder vergessen. Na, und wenn man eine Geschichte wie diese nach zwei Jahren zum zweitenmal erlebt, mit Koffern, Blumensträußen und Hupen und steifen Hü- ten, — ein Wunder ist es nicht, wenn einem die Augen vor Staunen aus dem Kopf treten…
    Plötzlich setzte sich ein sehr großer, hagerer Herr zu mir. Er war älter als ich, trug einen Kneifer und blickte mich lächelnd an. Nachdem er ein Weilchen gelächelt hatte, sagte er: „Eine verrückte Sache, hm? Man denkt, man erlebt etwas Wirkliches.
    Und dabei ist es nur etwas Nachgemachtes.“ Dann sagte er, glaube ich, noch, die Kunst sei eine Fiktion der Realität. Aber er meinte es nicht böse. Und so redeten wir eine Zeitlang gescheit daher. Als uns diesbezüglich nichts mehr einfiel, meinte er: „Nachher wird hier auf unsrer friedlichen Bank der Kriegsrat der Detektive abgehalten werden.“
    „Woher wissen Sie denn das? Sind Sie auch vom Film?“ Er lachte. „Nein. Die Sache liegt anders. Ich warte hier auf meinen Sohn. Der will die Filmaufnahmen begutachten. Er war nämlich damals einer von den richtigen Detektiven.“ Ich wurde munter und betrachtete meinen Nachbarn genauer.
    »Gestatten Sie, daß ich zu raten versuche, wer Sie sind?“
    „Ich gestatte“, meinte er vergnügt.
    „Sie sind Justizrat Haberland, der Vater vom Professor!“
    „Erraten!“ rief er. „Aber woher wissen Sie denn das? Haben Sie das Buch ,Emil und die Detektive‘ gelesen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe es geschrieben.“ Das freute den Justizrat außerordentlich. Und binnen weniger Minuten unterhielten wir uns, als kennten wir uns seit der Konfirmation. Und ehe wir’s uns versahen, stand ein Gymnasiast vor der Bank und zog seine Schülermütze.
    „Da bist du ja, mein Junge“, sagte Justizrat Haberland.
    Ich erkannte den Professor auf den ersten Blick wieder. Er war seit damals gewachsen. Nicht sehr, aber immerhin. Ich hielt ihm die Hand entgegen.
    „Das ist doch Herr Kästner“, meinte er.
    „Das ist er“, rief ich. „Und wie gefallen dir die Filmaufnahmen, die sie von eurer Geschichte machen ?“ Der Professor rückte seine Brille zurecht. „Sie geben sich alle Mühe. Kann man nicht leugnen. Aber ein Film wie
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