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Emil und die drei Zwillinge

Emil und die drei Zwillinge

Titel: Emil und die drei Zwillinge
Autoren: Erich Kästner
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meinte Emil. Er dachte eine Weile nach. Dann erklärte er: „Seien Sie mir nicht böse. Aber ich verstehe kein Wort.“
    Der andere betrachtete seine Zigarre. Und weil sie inzwischen ausgegangen war, brannte er sie umständlich wieder an. Dann meinte er: „Es ist schwer, mit einem so großen Jungen darüber zu sprechen. — Erinnerst du dich an deinen Vater?“
    „Fast gar nicht. Ich war fünf Jahre alt, als er starb.“ Der Oberwachtmeister nickte. Dann sagte er schnell: „Ich möchte nämlich deine Mutter heiraten!“ Und dann hustete er eine Weile. Als er wieder zu sich kam, fuhr er fort: „Ich kann in den Innendienst kommen. Und später werde ich Inspektor. Die Prüfung bestehe ich sicher. Wenn ich auch keine Realschule besucht habe, — ich bin soweit kein dummer Kopf. Als Inspektor verdiene ich ganz hübsch. Und du könntest sogar studieren, wenn du Lust dazu hast.“
    Emil strich ein paar Kuchenkrümel von der bunten Tischdecke. Der Oberwachtmeister sagte: „Wenn du es nicht möchtest, heiratet sie mich nicht.“
    Der Junge stand auf und trat zum Fenster. Er blickte auf die Straße hinaus. Dann drehte er sich um und meinte leise: „Ich muß mich nämlich erst an den Gedanken gewöhnen, Herr Jeschke.“
    „Selbstverständlich“, antwortete der Mann.
    Emil schaute wieder aus dem Fenster. ‚Eigentlich habe ich mir’s ja anders vorgestellt‘, dachte er bei sich, während seine Augen einem Lastwagen nachblickten. ‚Selber wollte ich Geld verdienen. Viel Geld. Damit sie nicht mehr zu arbeiten braucht.
    Und ich wollte das ganze Leben mit ihr zusammenbleiben. Wir beide allein. Niemand außerdem. Und nun kommt ein Polizist und will ihr Mann werden!‘
    Da bog seine Mutter um die Ecke. Sie ging sehr rasch über die Straße und blickte angespannt geradeaus.
    Emil zog die Gardine vors Gesicht. ,Jetzt muß ich mich entscheiden‘, dachte er. ,Und ich darf dabei nicht an mich denken.
    Das wäre gemein. Sie hat immer nur an mich gedacht. Sie hat ihn gern. Ich darf mir auf keinen Fall anmerken lassen, daß ich traurig bin. Ich muß sogar sehr fidel sein. Sonst verderbe ich ihr die Freude.‘
    Er holte tief Atem, drehte sich um und sagte laut: „Es ist mir recht, Herr Jeschke.“
    Der Oberwachtmeister stand auf, kam zu ihm hin und drückte ihm die Hand. Da ging auch schon die Tür auf. Die Mutter trat hastig in die Stube und blickte ihren Jungen forschend an. Der dachte noch einmal blitzschnell: ,Nun aber fidel sein!‘ Dann hakte er sich bei Jeschke unter, lachte und sagte zu seiner Mutter: „Was sagst du dazu! Der Herr Oberwachtmeister hat eben bei mir um deine Hand angehalten!“
    Als Frau Homburg zur Kopfwäsche erschien, zog Jeschke, der Bräutigam, vergnügt ab. Zum Abend war er wieder da und brachte Blumen mit. Und ein halbes Pfund feinen Aufschnitt.
    Und eine Flasche Süßwein. „Zum Anstoßen“, meinte er. Nach dem Abendbrot stießen sie also an. Emil hielt eine feierliche Ansprache, über die Herr Jeschke sehr lachen mußte. Frau Tischbein saß zufrieden auf dem Sofa und streichelte Emils Hand.

    „Mein lieber Junge“, erklärte Herr Jeschke, „ich danke dir für deine Glückwünsche. Ich bin riesig froh über alles und habe jetzt nur noch eine Bitte. Du sollst nicht Vater zu mir sagen. Das fände ich nämlich merkwürdig. Ich werde bestimmt wie ein Vater zu dir sein. Das steht auf einem anderen Blatt. Aber die Bezeichnung als solcher kommt mir nicht zu.“ Insgeheim war Emil recht froh über den Vorschlag. Laut sagte er: „Zu Befehl, Herr Oberwachtmeister. Wie soll ich Sie denn nun aber anreden? Guten Tag, Herr Jeschke, — das klingt auf die Dauer ein bißchen komisch. Finden Sie nicht?“ Der Bräutigam erhob sich. „Zunächst trinken wir beide Brü- derschaft miteinander. Ich duze dich zwar schon. Aber nun mußt du mich auch duzen.“
    Sie tranken Brüderschaft.
    „Und wenn du künftig das Bedürfnis spüren solltest, mich mit einem Namen zu benennen“, meinte Herr Jeschke, „so möchte ich vorsorglich darauf hinweisen, daß ich Heinrich heiße. Ist das soweit klar?“
    „Zu Befehl, Heinrich!“ sagte Emil.
    Und als er seine Mutter lachen hörte, war er selig.
    Nachdem Heinrich Jeschke nach Hause abmarschiert war, gingen die beiden Tischbeins schlafen. Sie gaben sich, wie immer, einen Gutenachtkuß. Und dann legte sich jeder in sein Bett. Aber obwohl sie sich schlafend stellten, lagen sie noch lange wach.
    Emil dachte: ,Sie hat nichts gemerkt. Sie denkt, ich bin gar nicht traurig. Nun
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