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Emil und die drei Zwillinge

Emil und die drei Zwillinge

Titel: Emil und die drei Zwillinge
Autoren: Erich Kästner
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Stiefsohn lie - bevoll an.
    „Erlaubst du, daß ich das Reisegeld spendiere?“ Emil schüttelte energisch mit dem Kopf. „Ich habe ja mein eignes Sparkassenbuch.“

    „Schade.“
    „Nein, Heinrich. Ich komme wegen etwas ganz anderem.“
    „Weswegen denn?“
    „Es ist wegen meiner Mutter, weißt du? Wenn du nicht gerade gestern … Ich meine, sonst würde ich sie bestimmt nicht allein lassen. Und ich fahre überhaupt nur, wenn du mir fest versprichst, daß du jeden Tag mindestens eine Stunde bei ihr bist.
    Sonst wird sie nämlich, — ich kenne sie doch sehr genau, und ich möchte nicht, daß sie sich in der Zeit ganz allem fühlt.“ Emil machte eine Pause. Das Leben war doch manchmal recht schwer.
    „Du mußt mir dein Ehrenwort geben, daß du dich um sie kümmerst. Sonst fahre ich nicht fort.“
    „Ich verspreche es dir. Ohne Ehrenwort. Mit Ehrenwort. Wie du’s verlangst, mein Junge.“
    „Dann ist ja alles in Ordnung“, erklärte Emil. „Also jeden Tag. Nicht wahr? Ich werde zwar sehr viele Briefe schreiben.
    Aber Geschriebenes ist eben doch nicht das Richtige. Es muß immer jemand da sein, den sie liebhat. Ich erlaube nicht, daß sie traurig wird!“
    „Ich komme täglich“, versprach Herr Jeschke. „Mindestens eine Stunde. Wenn ich mehr Zeit habe, bleibe ich länger.“
    „Danke schön!“ sagte Emil. Dann machte er kehrt und galoppierte den Weg, den er gekommen war, zurück.
    Im Hof setzte er sich wieder auf die Treppenstufen, zupfte Grashalme aus den Ritzen und tat, als sei er nie fortgewesen.
    Fünf Minuten später blickte Frau Tischbein aus dem Küchenfenster. „He, junger Mann!“ rief sie laut. „Platz nehmen zum Mittagessen!“
    Er schaute lächelnd hoch. „Ich komme, Muttchen!“ Ihr Kopf verschwand wieder.
    Da stand er langsam auf und trat ins Haus.

    Am Nachmittag ließ er sich von seiner Mutter Briefpapier geben, setzte sich an den Tisch und schrieb an den Gymnasiasten Theodor Haberland, wohnhaft in Berlin-Wilmersdorf, folgenden Brief:

DRITTES KAPITEL - EMIL SETZT SICH IN BEWEGUNG
    Die schlimmen Tage und Stunden, auf die man warten muß, kommen mit Windeseile. Sie nahen wie schwarze, regenschwere Wolken, die der Sturm am Himmel vor sich hertreibt.
    Die heiteren Tage jedoch, die lassen sich Zeit. Es ist, als sei das Jahr ein Labyrinth, und sie fänden den Weg nicht heraus und erst recht nicht zu uns.
    Aber eines Morgens sind die Sommerferien schließlich doch da! Zeitig wie immer wacht man auf und will aus dem Bett springen. Dann besinnt man sich. Man muß ja gar nicht zur Schule! Faul dreht man sich zur Wand und schließt die Augen.
    Ferien! Das klingt wie zwei Portionen gemischtes Eis mit Schlagsahne. Noch dazu Große Ferien!
    Dann blinzelt man vorsichtig zum Fenster hinüber und merkt: Die Sonne scheint. Der Himmel ist blau. Der Nußbaum vorm Fenster rührt kein Blatt. Es ist, als stehe er auf den Zehen und blinzle ins Schlafzimmer. Man ist stillvergnügt und selig und bisse sich, wenn man nicht zu faul dazu wäre, am liebsten in die Nase.
    Doch plötzlich springt man wie angestochen aus den Federn.
    Alle Wetter, man muß ja verreisen! Der Koffer ist noch nicht fertiggepackt!
    Man rast, ohne in die Pantoffeln zu fahren, aus der Schlafstube hinaus und schreit schon im Korridor: „Muttchen, wie spät ist es eigentlich?“

    Schließlich stand Emil auf dem Bahnsteig. Die Mutter hielt seine Hand gefaßt. Oberwachtmeister Jeschke, der sich außer der Reihe eine Stunde freigemacht hatte, trug den Koffer und das Stullenpaket und hielt sich, weil er nicht stören wollte, im Hintergrund.
    „Und schreibe mir jeden zweiten Tag“, bat Frau Tischbein.
    „Daß du nicht zu weit hinausschwimmen wirst, hast du mir versprochen. Aber ich werde trotzdem in Unruhe sein. So viele Jungens auf einem Haufen! Was da alles passieren kann!“
    „Na erlaube mal!“ sagte Emil. „Du kennst mich doch. Wenn ich was verspreche, halte ich’s. Ich sorge mich aber deinetwegen, und das ist viel schlimmer. Was wirst du denn die ganze Zeit ohne deinen Sohn anfangen?“
    „Ich habe ja zu arbeiten. Und wenn ich Zeit habe, gehe ich spazieren. Sonntags werde ich mit Jeschke Ausflüge machen. In die Meierei. Oder in den Amselgrund. Wenn er dienstfrei hat, heißt das. Das Essen nehmen wir mit. Und wenn er nicht frei hat, bessere ich Wäsche aus. Ein paar Bettüberzüge sind gar nicht mehr schön. Oder ich schreibe dir einen langen Brief, gelt?“
    „Recht oft, bitte“, sagte Emil und drückte ihre Hand. „Und
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