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Elsa ungeheuer (German Edition)

Elsa ungeheuer (German Edition)

Titel: Elsa ungeheuer (German Edition)
Autoren: Astrid Rosenfeld
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Herde.
    »Können wir uns irgendwo alleine unterhalten?«
    »Sicher… Raus«, befahl er seinen Verehrerinnen. »Los, raus.« Nicht ein Gran Höflichkeit lag in dieser Anweisung. Trotzdem galten ihre vorwurfsvollen Blicke mir und nicht dem Mann, der sie so barsch abfertigte.
    »Tür zu.« Das letzte Schaf befolgte die letzte Order.
    Wir waren allein. Mach die Augen auf. Mach die Augen auf.
    »Wo warst du, verdammt, wo warst du, Karl?«
    »In Throckmorton. Am Ende der Welt. Bei Elsa.«
    Lorenz sagte nichts.
    »Du hast einen Sohn. Er heißt Anton. Er kann reiten. Elsa erzählt ihm jeden Abend die Geschichten des Murmeltiers. Seine Lieblingsfarbe ist Grün.«
    »Karl…«
    »Warum hast du mir nie ein Wort gesagt? Warum hast du dich nicht ein einziges Mal bei Elsa gemeldet? Und wofür soll ich dich jetzt mehr hassen?«
    »Ich… Ich war nicht mal fünfzehn.«
    »Aber wir reden hier über Elsa. Über die Königin des Murmeltiers. War dir irgendwann einfach langweilig, so wie immer?«
    »Sie konnte… Sie konnte…«
    »Was? Was konnte sie?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Manchmal wacht Elsa nachts auf und denkt an dich. Und du? Hast du dich nie gefragt, wie es ihr geht?«
    Wut flackerte in Lorenz’ Augen. Dort, wo er einst Mirberg um vier Zähne gebracht hatte, schlug er mich zusammen. Boxte mir in den Magen, bis ich umfiel.
    »Oh, Scheiße. Scheiße, das wollte ich nicht«, sagte er und sank neben mir zu Boden.
    Mein Bauch schmerzte fürchterlich, das Sprechen fiel mir schwer. »Ich verlasse das Schiff, Lorenz. Ich bin den Stürmen nicht gewachsen.«
    Seine Faust knallte gegen die Betonwand. »Versuchst du, ein guter Mensch zu sein?«, sagte er voller Verachtung.
    Lange stand ich am Bahnhof, unschlüssig, wohin ich fahren sollte. Nach Den Haag und wieder Mrs.   Grahams Vorleser werden? Nach Den Haag und zumindest Windspiel abholen?
    Zurück nach Lake Daniel und unter dem texanischen Himmel schlafen? Nur eine Autostunde entfernt von ihr?
    Randolph Brauer saß auf einem Plastikklappstuhl im Garten und hielt Ausschau. Auch wenn ich nicht der Mensch war, dessen Rückkehr er so sehnsüchtig erhoffte, empfing er mich mit einem freudigen Lächeln. Neben ihm stand eine Flasche Wermut, offenbar wähnte er sich hier draußen in Sicherheit vor der Schelte der Kratzlerin.
    »Geht es dir gut, mein Junge?«, fragte er und tätschelte mir den Arm.
    »Ja, Papa.«
    »Das ist schön.«
    Ich betrachtete das Profil meines Vaters, der seinen Blick wieder auf einen Punkt in der Ferne gerichtet hatte. Dunkelrot, fast violett die Nase. Seine Haut ein Netz aus Falten und geplatzten Äderchen. Zerbrechlich wirkten die schmalen Schultern.
    »Geht es dir denn gut, Papa?«
    »Oh, das weiß ich nicht, frag die Frauen«, antwortete er geistesabwesend.
    Frau Kratzler und Ewa, die zusätzliche Haushaltshilfe, aßen im Frühstücksraum zu Abend. Es roch nach Esel und gekochtem Gemüse. Ein paar Katzen huschten durch das Zimmer.
    Die Kratzlerin kniff ihre trüben Augen zusammen. »Karl, setz dich«, sagte sie, ohne viel Aufhebens um meinen unangekündigten Besuch zu machen. »Im Topf ist noch Suppe. Ewa, hol ihm einen Teller Suppe.«
    Frau Kratzler hielt einen Gehstock hoch. »Ich bin nicht mehr die Schnellste. Und meine Augen… Ich habe sogar Anspruch auf einen Blindenhund.«
    »Wo ist er?«
    »Wer?«
    »Der Hund.«
    »Was soll ich mit einem Hund? Noch ein Viech im Haus. Herzjesulein im Himmel, nein.« Sie schüttelte verächtlich den Kopf.
    Entgegen meinen Befürchtungen schmeckte die rötliche Pampe nicht scheußlich, sondern einfach nach nichts.
    »Sind Zimmer vermietet?«
    »Nein. Im Juni hatten wir drei Gäste.«
    »Ich werde länger bleiben, Frau Kratzler.«
    »Dann kannst du die Ställe ausmisten.«
    »Das werde ich.«
    »Randolph arbeitet nicht mehr. Es geht nicht mehr. Wusstest du das?«
    »Nein.«
    »Das arme Herzjesulein weint um deinen Vater. Letzte Woche war er im Krankenhaus. Seine Leber ist kaputt, trotzdem säuft er weiter. Die Ärzte meinen, dass er den Sommer nicht überleben wird. Eine Transplantation wäre die einzige Rettung. Aber davon will Randolph nichts wissen.«
    »Er war im Krankenhaus, und niemand hat mir Bescheid gesagt?«
    »Ich habe deinen Bruder angerufen. Keiner wusste, wo du warst.«
    »Ist Lorenz hier gewesen?«
    »Nein.«
    Die Prognose der Ärzte sollte sich als richtig erweisen. Doch zuvor suchte der Tod eine andere Familie in dem oberpfälzischen Dorf heim, das nun wieder mein Zuhause war.
    Urlauber hatten
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