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Ella und das große Rennen

Ella und das große Rennen

Titel: Ella und das große Rennen
Autoren: Timo Parvela
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Pekka genauso groß wie wir anderen, er hat nur zu kurze Beine. Auf jeden Fall sah es so aus, als wäre es für den großen Jungen ein Kinderspiel, ihm das Akkordeon wegzunehmen. Er hätte es auch bestimmt versucht, wenn der Rambo nicht wie wild geknurrt und ihm die Zähne gezeigt hätte.
    »An deiner Stelle würde ich jetzt keine hastigen Bewegungen mehr machen«, sagte Timo zu dem Jungen.
    »Hä?«, sagte der Junge.
    »Kein Grund zur Panik«, sagte Hanna. »Geh einfach nur ganz langsam rückwärts und schau ihm nicht in die Augen!«
    »Hä?«, sagte der Junge.
    »Du fängst dir eine auf die Quetsche, wenn du Pekka anrührst, so sieht’s aus«, brummte der Rambo.
    »Hä?«, sagte der Junge.
    »Er meint, er knallt dir eine auf die Quetschkommode, wenn du Pekka anrührst«, übersetzte Timo.
    »Hä?«
    Mit dem Wortschatz des großen Jungen war es offenbar nicht weit her, und ich musste an den Lehrer denken. Jetzt verstand ich, warum er immer sagte, vom Bücherlesen werde man klug. Ich vermisste unseren Lehrer jetzt schon.
    »Der Rambo haut dir gleich eine aufs Schifferklavier, wenn du nicht abhaust«, versuchte ich es ganz einfach auszudrücken.
    »Wenn du uns nicht in Ruhe lässt, ballert dir der Rambo eine, dass du Pekka spielen hörst, obwohl er gar nicht spielen kann«, dolmetschte Tiina.
    »Und meine Mutter verklagt dich und deine Freunde und Verwandten und sogar deine Haustiere«, drohte Mika.
    »Worum geht’s hier eigentlich?«, fragte Pekka.
    »Das sind ja Irre«, sagte der Junge mit Grauen in der Stimme, dann zog er sich zurück zu seinen Kumpels.
    Wir hatten Pekka, Martti und das Akkordeon des Lehrers gerettet und waren zufrieden.
    Dann klingelte es, und ein paar Tausend Kinder drängelten sich gleichzeitig in das riesige Schulgebäude. Wir wunderten uns, wie glatt das ging, weil wir fest damit gerechnet hatten, dass erst mal welche leblos draußen liegen blieben.
    Als es zu Ende geklingelt hatte, waren nur noch wir und ein einziges kleines Mädchen auf dem Schulhof übrig. Es trug einen sumpfgrünen Overall und eine rote Strickmütze, die es so weit nach unten gezogen hatte, dass man nur die Hälfte von seinem Gesicht sah – die untere natürlich.
    »Habt ihr euch auch verlaufen?«, fragte die Kleine, und ihre Stimme klang, als würde sie sich darüber freuen.
    »Irgendwie schon«, gab ich zu.
    »Andererseits auch wieder nicht, weil wir nämlich keine Ahnung haben, wohin wir eigentlich unterwegs sind«, sagte Timo. »Um sich verlaufen zu können, muss man bekanntlich irgendwohin unterwegs sein.«
    Timo kann auch ganz einfache Dinge schön kompliziert ausdrücken.
    »Hast
du
dich denn verlaufen, Kindchen?«, fragte Tiina, die später Krankenschwester oder Lehrerin werden will und manchmal auch schon so redet.
    »Ja«, sagte die Kleine fröhlich.
    »Würde es vielleicht helfen, wenn du die Mütze weiter hochziehen würdest?«, fragte Hanna, die von uns allen am praktischsten denkt.
    »Nein«, sagte die Kleine und hob den Rand ihrer Mütze auf beiden Seiten gerade so viel, dass man ihre Augen sehen konnte. Sie waren strahlend blau. »Es ist schon drei Monate her, seit ich mich verlaufen habe, da hatte ich noch gar keine auf.«
    »Drei Monate?«, fragte Hanna erstaunt.
    Wir fanden alle, dass das sehr merkwürdig klang. Und sogar ein bisschen traurig. Es musste doch schrecklich sein, wenn man so lange in seiner Schule herumirrte. Wie war das überhaupt möglich? Wir fragten die Kleine, und sie erzählte uns, wie sie gleich am ersten Schultag ihre Klasse verloren hatte. Die Eltern hatten sie abgeliefert, die Lehrer hatten die Erstklässler in ihre Klassen geführt, und ihr Lehrer hatte es ein bisschen zu eilig gehabt. Da war es eben passiert. Seitdem kam sie jeden Tag und suchte ihre Klasse, aber sie hatte sie immer noch nicht gefunden. Die Schule war einfach zu groß und hatte zu viele Schüler, und anscheinend wurde auch keine Erstklässlerin vermisst.
    »Aber es ist halb so schlimm«, sagte die Kleine. »Man gewöhnt sich daran, und ich hab in der Schule schon viel gelernt.«
    »Was denn zum Beispiel?«, wollte ich wissen.
    »Zum Beispiel, dass der Hausmeister seine Bonbons in der Schreibtischschublade aufbewahrt.«
    »Wirklich?«, fragten wir überrascht.
    »Und im Lehrerzimmer liegt immer frisch gebackener Hefezopf.«
    »Wirklich?«, fragten wir überrascht.
    »Und auf dem Dachboden steht ein Skelett.«
    »Wirklich?«, fragten wir erschrocken.
    »Ich hab’s gesehen. Es soll das von dem Architekten
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