Ella auf Klassenfahrt
drückte.
»Dann mach’s mal gut!«, sagte er und stapfte, immer noch den Kopf schüttelnd, davon.
17
Nach dem Mittagessen saßen wir in einer Reihe auf der langen Bank in der Stube, und die Frau des Lehrers schmierte uns allen das Kinn mit Fettcreme ein. Unsere Kinne waren ganz rot und rau.
»Das kommt vom Wind und von der Kälte«, erklärte die Frau des Lehrers, aber wir glaubten ihr natürlich kein Wort. Wir wussten genau, weshalb wir alle ein raues Kinn hatten. Uns wuchsen Bärte.
Der Lehrer hatte nicht zu Mittag gegessen. Er war gleich nach unserer Ankunft verschwunden. Oder eigentlich war er nicht wirklich verschwunden, denn wir wussten alle, wohin er gegangen war. Er arbeitete in dem Loch im Fußboden der Lehrerhütte.
Der Lehrer hatte jetzt nämlich eine Schaufel. Er hatte sie von den zwanzig Euro gekauft, die er von dem Rentiermann bekommen hatte. Während wir zu Mittag aßen, hatte er sich über den See in den Dorfladen geschlichen, wo sie diese kleinen Klappschaufeln verkauften, die man überall mit hinnehmen kann. Er hatte sich die Schaufel am Bein befestigt und sie unter der Hose nach Hause geschmuggelt. Wir hätten es vielleicht gar nicht gemerkt, wenn die Frau des Weihnachtsmanns ihn nicht darauf angesprochen hätte, als er wieder in die Stube kam.
»Seit wann hinkst du denn?«, fragte sie.
»Ein Knorpelschaden. Wahrscheinlich vom Sportunterricht«, beruhigte sie der Lehrer.
»Nichts hilft besser gegen Knorpelschäden als Langlauf«, mischte sich der Weihnachtsmann ein. »Als ich jung war, waren meine beiden Knie so steif, dass ich mir die Schuhe im Liegen anziehen musste. Vom Langlaufen sind sie dann biegsam geworden. Tausend Kilometer bin ich an einem Tag mit durchgedrückten Knien gelaufen. An Mittsommer war das. Danach waren sie dann gelenkig.«
»Im Sommer kann man doch gar nicht Ski laufen«, sagte Hanna.
»Stimmt genau. Das macht das Ganze umso merkwürdiger, findet ihr nicht?«, stimmte der Weihnachtsmann ihr zu.
»Du mit deinem ewigen Langlaufen!«, seufzte die Frau des Weihnachtsmanns, und der Lehrer lächelte ihr dankbar zu. Dann wurde er plötzlich schrecklich müde.
»Ich geh dann mal ein Ründchen schlafen«, sagte er und gähnte, dass wir alle mitgähnen mussten.
»Am helllichten Tag?«, sagte die Frau des Weihnachtsmanns besorgt.
»Die frische Luft macht müde«, antwortete der Lehrer.
Dann ging er aus der Stube, und das war der Moment, wo man die Schaufel sah. Die Spitze schaute nämlich ein Stück weit oben aus dem Hosenbund heraus.
»Ob wir uns Sorgen machen müssen?«, fragte die Frau des Weihnachtsmanns den Weihnachtsmann, als sie die Schaufel sah.
»Ach, was! Der muss nur endlich erwachsen werden«, sagte der Weihnachtsmann.
Wir sahen den Lehrer den ganzen Tag nicht mehr, aber wir wussten trotzdem, dass er Fortschritte machte: Als wir abends zu unserer Hütte gingen, sahen wir, dass unter einem Fenster der Lehrerhütte ein Sandhaufen gewachsen war.
18
»Diebe!«, schrie Hanna, als sie am nächsten Morgen erwachte.
Sie hatte recht. Aus unserer Hütte waren in der Nacht alle Bettlaken verschwunden.
»Diebe!«, hörten wir Mika aus einer der Jungenhütten schreien.
Er hatte auch recht. Aus ihrer Hütte waren in der Nacht sämtliche Vorhangstangen verschwunden.
Wir fragten uns, wer wohl so gemein war, dass er zukünftigen Wichteln Bettlaken, ein Bett und eine Vorhangstange klaute.
»Das kann nur ein Feind des Weihnachtsmanns gewesen sein«, sagte Timo.
»Oder die Konkurrenz«, schlug Hanna vor.
»Wer ist denn die Konkurrenz des Weihnachtsmanns?«, wunderte sich Mika.
»Väterchen Frost aus Russland«, wusste Hanna.
»Und Robin Hood, der Rächer der Armen aus dem Wald von Nottingham«, wusste Timo.
Wir schüttelten uns bei dem Gedanken, dass Väterchen Frost und Robin Hood uns in der Nacht ausgeraubt haben sollten.
»Was denkt ihr, haben die wohl vor?«, fragte ich.
»Väterchen Frost verteilt die Bettlaken an arme russische Kinder«, erklärte Hanna.
»Und Robin Hood gibt das Bett und die Vorhangstange auch den Armen«, erklärte Timo.
»Ich hab’s gewusst«, sagte Mika. »Sogar die Armen bekommen was, nur ich nicht.«
Bei uns waren in der Nacht Sachen verschwunden, aber der Sand unter dem Fenster der Lehrerhütte war noch mehr geworden. Einen Moment lang fürchteten wir schon, dass der Lehrer und seine Frau in der Nacht den Tunnel zu Ende gegraben hatten und womöglich ohne uns geflohen waren. Dann sahen wir zu unserer Erleichterung, wie der
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