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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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besonders an. Zudem
     hatte er sich in letzter Zeit kontrovers mit einem zentralen Thema seiner Existenz beschäftigt: mit dem Sex. Und er war zu
     der Einsicht gelangt, dass es seinem körperlichen und mentalen Wohlbefinden gut bekäme, wenn er öfter Sex hätte. Sagen wir:
     Öfter als in letzter Zeit, also öfter als   … Aber lassen wir das.
    Die andere Seite war: Schmalenbachs Kopf. Momentan war kein Platz für Sex. Er dachte daran, dass in einer Stunde die wöchentliche
     Kreativkonferenz stattfand, auf der alle Kreativen ihre kreativen Ideen vorstellen sollten. Schmalenbach hatte einen Horror
     vor Kreativkonferenzen,auf denen alle darauf warteten, dass er endlich mit einem kreativen Impuls aufwartete, obwohl ihm seit Wochennur ein einziges
     Wort durch den Kopf geisterte: Schreibhemmung.
    Elke hauchte: »So kannst du mich doch hier nicht allein lassen.« Wenn Schmalenbach gegen etwas machtlos war, dann waren das
     Appelle an seinen Beschützerinstinkt. Elke wusste das und spielte damit. Hinzu kam, dass sie morgens um halb acht, nach einem
     gesunden Achtstundenschlaf nicht nur am besten roch. Nein, ihre Haut fühlte sich auch anders an als sonst. Weicher, jünger,
     gieriger.
    Schmalenbach wägte in Sekundenbruchteilen Für und Wider ab und kam zu einem verblüffenden Schluss: Wenn er um kurz vor acht
     noch keinen kreativen Einfall hatte, würde er auch um halb neun keinen haben. Dann war es doch besser, zu der Kreativkonferenz
     nicht frustriert und ausgelaugt zu erscheinen, sondern wenigstens mit dem Aplomb eines Mannes, der zwar beruflich auf dem
     absteigenden Ast war, aber zu Hause eine Frau im Bett hatte, die ihn an einem ganz normalen Werktag zum Wahnsinn brachte.
    »Na also«, sagte Elke – und diese zwei Worte genügten, um bei dem ausgehungerten Schmalenbach einen hormonellen Overkill auszulösen.
    »Du«, sagte sie noch. Er stutzte. »Was ist?«
    »Es ist aber schon kurz vor acht.«
    »Na und?«, grummelte das Tier in ihm, das sie aus seinem Winterschlaf geweckt hatte.
    »Um halb neun muss ich im Büro sein. Du weißt doch – die Kernzeit«, erklärte Elke.
    Schmalenbach überhörte die Mahnung. Schließlichkannte er die biologisch bedingte Unart der Frau, in solchen Momenten Bedenken anzumelden.
    »Mach schnell!«, hauchte sie. »Sonst bekomme ich eine Abmahnung.«
    Als es vorbei war, zeigte die Uhr zwei Minuten nach acht. Sie lagen also optimal in der Zeit. Vielleicht würde er ausnahmsweise
     ein Taxi nehmen müssen – aber was hieß das schon, nach so einem Morgen? Schmalenbach beugte sich über seine Liebste und küsste
     sie innig. Dann lächelte er sie an wie ein junger Gott seine Göttin eben anlächelt.
    Elke schluchzte. Sie drehte sogar ihren Kopf weg.
    »Schatz, was ist?«
    Sie weinte still in sich hinein, das arme Ding. »Ist es – das Glück?«, fragte er. Das gab es ja bei Frauen – sie wurden einfach
     nicht damit fertig, dass zwei Menschen so innig miteinander sein konnten. Männer kamen besser damit klar; denen halfen die
     Literatur oder der Sport.
    »Oder bereust du es, dich so gehen gelassen zu haben?«
    Eine bei Elke häufig auftretende Stimmung nach dem Sex. Schmalenbach arbeitete seit Jahren daran, ihr das schlechte Gewissen
     zu nehmen.
    Elke richtete sich auf und zündete sich eine Zigarette an. Neun nach acht. Langsam musste er sein Taxi bestellen. »Ich bin
     so unglücklich«, sagte sie und blies ihm den Rauch ins Gesicht.
    Das überraschte Schmalenbach. Er war davon ausgegangen, dass sie danach eher glücklich sein würde.
    »Früher – da warst du aufmerksam und sensibel. Aber jetzt kommt es mir vor, als sei es dir völlig unwichtig, wie ich mich
     fühle.«
    Wie kam sie denn darauf? Vor allem nach einem solchen Einstand am Morgen.
    Elf nach acht. Hoffentlich kamen im Nordend nicht allzu viele auf die Idee, noch mal zu ihrer Frau ins Bett zu kriechen und
     sich anschließend ein Taxi zu rufen   …
    »Das eben – das war für mich wieder ein Beweis dafür, dass du nur noch an dich denkst«, warf sie ihm vor.
    »Aber du hast doch die Decke gelüftet und gesagt: ›So kannst du mich hier nicht allein lassen.‹«
    »Es ist schon erstaunlich, wie ihr Männer komplexe Situationen auf simple Impulse reduzieren könnt. Ja, ich wollte mit dir
     schlafen. Und? Heißt das, Polen ist offen?«
    »Elke, sag mir, was habe ich falsch gemacht?!«
    Sie drehte sich weg und rollte sich in die Bettdecke ein, die sie eben noch so verführerisch gelüftet hatte.
    Zwölf nach
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