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Elke versteht das

Titel: Elke versteht das
Autoren: Wolfgang Brenner
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sie deshalb bei Minusgraden am Main Sushi isst. Ich wollte bloß mal mit dir   … träumen. Deshalb hole ich mir aber nicht gleich den Tod. Gute Nacht!«
    So kam es, dass Schmalenbach an diesem 14.   Februar kurz vor Mitternacht auf einer Parkbank am Main saß, Champagner trank und Sushi aß. Alleine.
    Das heißt: Bis sich dieser Kalle zu ihm setzte.
    Kalle hatte seine Arbeit verloren und Frau und Kinder verlassen und lebte seither auf der Straße. Sushi wollte er nicht, aber
     den Schampus probierte er.
    »Heute ist Valentinstag«, sagte Schmalenbach. »Prost!« Kalle fuhr hoch. »Mann, das habe ich glatt vergessen.« Schon war er
     wieder weg.
    Armer Irrer, dachte Schmalenbach und trank den eiskalten Schampus in einem Zug aus.

EINFACH NUR REDEN
    Schmalenbach wurde immer nervöser. »Was ist mit dir?«, fragte er.
    »Du könntest ruhig etwas engagierter sein, wenn du merkst, dass ich was habe.«
    »Aber du hast ständig was.«
    Das stimmte: Elke hatte ständig was. Meistens war sie unzufrieden: mit Schmalenbach, der Welt, den Männern, ihrem Gehalt oder
     ihrem Aussehen. Meistens aber mit Schmalenbach.
    »Diesmal ist es anders. Diesmal geht es mir nicht um mich. Ich mache mir Sorgen um dich, Schmalenbach.«
    Das war allerdings eine neue Qualität. Machte sie sich vielleicht Sorgen, dass er sich grämte, weil sie nicht mehr so gut
     aussah wie früher? Oder weil sie immer noch weniger verdiente als ihr Chef? Schmalenbach arbeitete fieberhaft an Dementis.
     Er wäre sogar bereit gewesen, leidenschaftlich ihrer Ansicht zu widersprechen, die Welt sei schlecht.
    »Weißt du«, sagte sie und tätschelte seinen schweißnassen Handrücken. »Jeder braucht mal jemanden zum Reden. Wenn ein Mensch
     nicht darüber reden kann, wasihn bedrückt, stirbt er wie eine Pflanze, die nicht genug gegossen wird.«
    Das klang sehr, sehr ernst.
    »Aber wir reden doch. Wir reden ständig, mein Schatz. Gerade jetzt reden wir, Elke.«
    »Ja, natürlich. Aber das genügt nicht.«
    In diesem Moment brannte bei Schmalenbach ein Relais durch, das in letzter Zeit arger Beanspruchung ausgesetzt war. »Worüber
     willst du denn noch mit mir reden?! Wir reden über deine Darmkrämpfe, über deine Migräne, über deine Monatsbeschwerden, über
     deine Kolleginnen, über die Darmkrämpfe, die Migränen und die Monatsbeschwerden deiner Kolleginnen. Viel fehlt nicht mehr,
     und wir reden sogar über die Monatsbeschwerden deines Chefs.«
    Elke schnäuzte sich indigniert die Nase. »Jetzt wirst du unsachlich, Schmalenbach.«
    »Ich habe einfach die Nase voll. Dieses ewige Gequatsche über jeden Fliegendreck. Kann man sich nicht mal hinsetzen und einfach
     schweigen? Oder was lesen, ohne dass die Auswahl der Lektüre sofort thematisiert wird? Oder einfach nur guten Sex haben. Guten
     Sex, ohne davor und danach stundenlang darüber zu reden?«
    Jetzt schwieg Elke. Sie schwieg sogar lange. Für ihre Verhältnisse enorm lange.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte Schmalenbach nach drei bis vier Minuten bang.
    Elke schaute weg.
    »Hätte ich den Sex aus dem Spiel lassen sollen?«
    »Schon gut. Du hast mich nur bestätigt.«
    »Worin?«
    »In meinen schlimmsten Befürchtungen. Deine Ausfälle zeigen mir, wie sehr du leidest.«
    Schmalenbach lachte auf. »Leiden? Ich? Ich fühle mich pudelwohl. Jedenfalls solange ich nicht unentwegt über alles reden muss.«
     Schmalenbach war es leid, er war es schrecklich leid, und er wollte zu einem Ende kommen. Zumal Pfeifenberger seit geschlagenen
     fünf Minuten auf ihn wartete und wahrscheinlich schon besorgt die Uhr im Blick hatte.
    Jetzt knetete sie seine Hand wie einen Pizzateig. Schmalenbach wurde es ganz eigenartig. Er hatte das Gefühl, dass ihn noch
     etwas erwartete – eine schlimme Überraschung womöglich. Und der arme Pfeifenberger machte sich seit zehn Minuten arge Sorgen.
     Ärgere Sorgen noch als Elke. »Es ist doch so: Man muss über das, was einen beschäftigt, reden«, sagte sie jetzt.
    Schmalenbach wollte etwas entgegnen, doch Elkes entschiedener Blick gebot ihm zu schweigen, wenn er seinen Freund Pfeifenberger
     jemals wiedersehen wollte.
    »Sieh mal: Ich habe meine Freundinnen, meine Kolleginnen, die Nachbarinnen, meine Mutter und zur Not sogar die Intrigantin
     Carola Pfeifenberger, wenn ich mal etwas loswerden will, aber du   …«
    Fünfzehn Minuten. Wann hatte es schon mal jemand gewagt, Pfeifenberger fünfzehn Minuten warten zu lassen? »Ich habe doch dich,
     Elke. Mit dir kann ich
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