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Elke und ihr Garten

Elke und ihr Garten

Titel: Elke und ihr Garten
Autoren: Emma Gündel
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leiden müssen, und daß es für die
arme Katje ja ein Segen sei, daß sie wenigstens sie, ihre Tante Paula, noch
habe.
    Katje stand blaß und wie in eine ferne
Welt entrückt neben der Frau.
    Katje weinte nicht. Ihre großen,
dunklen Augen waren wie ohne Blick.
    Sie weinte auch nicht, als der letzte
und schwerste Augenblick herangekommen war und der Sarg in die Erde gesenkt
wurde.
    Arme, arme Katje!
    Elke nahm ihre herrlichen, bunten
Herbstblumen und streute sie Katjes lieber Mutter in ihre letzte
Schlummerstätte hinab nach. Große Tränen rollten ihr dabei über die Wangen, und
ihre Lippen bewegten sich zuckend, wie als ob sie leise etwas sagte.
    Elke dachte daran, wie sie Frau
Reimers in diesem Frühjahr versprochen hatte: daß sie Katje niemals verlassen
würde. Niemals! Und Frau Reimers hatte auch gewußt, daß sie zu ihrem
Versprechen stehen würde.
    Als alles vorüber war, machte Frau
Tadsen den Vorschlag, daß Katje mit nach Hemmelwarde hinausfahren sollte, aber
Katje selbst und vor allem die Tante lehnten diese Einladung ab.
    „Nein, Katje gehört an diesem schwersten
Tag ihres Lebens zu mir, wie sie von nun ab ja überhaupt zu mir gehört — nicht
wahr, meine Katje?“ sagte Frau Schütt. Und das mutterlose Mädchen nickte dazu.
    „Dann gehe ich mit euch nach Hause!“
sagte Elke leise zu der Freundin.
    „Wie du willst“, sagte Katje darauf
nur.
    Und dann war Elke mit in der
Reimers’schen Wohnung, die sie von vielen Besuchen her so gut kannte, und sie
saß mit Katje auf dem Sofa im Wohnzimmer, während die Tante in der Küche Kaffee
kochte und danach zum Bäcker ging, um Kuchen zu holen.
    Katje war schweigsam, aber obwohl Elke
gut verstehen konnte, daß die Freundin zu unglücklich war, um viel sprechen zu
mögen, empfand sie doch, daß eine eigentümliche Zurückhaltung in Katjes Wesen
lag.
    Elke sagte deshalb schließlich: „Du
bist so sonderbar zu mir, Katje.“
    „Wieso?“ erwiderte die Freundin.
    „Hab’ ich dir irgend etwas getan,
Katje?“ fragte Elke bittend.
    Katje zuckte darauf nur die Achseln.
Sie war heute wirklich verändert.
    „Was ist denn nur?“ fragte Elke
flehentlich.
    Die Freundin schwieg.
    „Ach, meine liebste Katje —“
    Katje bewegte, wie unangenehm berührt,
Schultern und Arme. Dann sagte sie, ohne Elke anzusehen: „Wir beide passen
nicht mehr zueinander.“
    „Wir passen nicht mehr zueinander?“
fragte Elke aufs allertiefste erstaunt.
    Katje antwortete: „Früher hab’ ich mir
das nicht so klargemacht — aber meine Tante hat ganz recht: Gleich muß bei
gleich bleiben! Ich stamme aus ganz kleinen Verhältnissen und du —“
    „Aber Katje —, liebe Katje —“, sagte
Elke ganz unglücklich.
    „Ich bin schuld daran, daß meine
Mutter gestorben ist!“ erwiderte Katje mit geradezu harter Stimme. „Damals im
Sommer, als ich die vier Tage bei euch in Hemmelwarde war, hat meine Mutter die
Nächte durchgearbeitet, um ihre Kunden zufriedenzustellen. Ich hätte ihr nähen
helfen müssen! Statt dessen hab’ ich mich bei euch
amüsiert!“

    „Aber Katje — deine Mutter hat dir
doch selber zugeredet, daß du uns besuchen solltest!“ wandte Elke ein.
    „Ich hätte mir aber nicht zureden
lassen dürfen! Das ist es ja gerade. Ich gehörte zu meiner armen Mutter, aber
nicht zu euch —. Du kannst mich nicht verstehen! Du hast mich, glaube ich,
überhaupt nie verstanden!“
    „Katje —!“
    Elke fing in großer Herzensnot an zu
weinen.
    „Du brauchst nicht zu weinen“, sagte
Katje unbewegt. „Du hast Freundinnen genug. Deine neue Freundin Marianne Both
zum Beispiel!”
    Elke antwortete nicht. Sie konnte
überhaupt nicht fassen, was Katje sagte.
    Nach einem längeren Stillschweigen
fragte sie, nur um wieder einmal etwas zu sagen, warum der Onkel und die Tante,
die immer auf dem Weihnachtsmarkt den Kuchenladen hatten und die immer so nett
waren, nicht zur Beerdigung gekommen seien.
    „Die sind nach Breslau gezogen!”
antwortete Katje.
    „Das ist schade!“ sagte Elke.
    „Warum schade? Meinst du vielleicht,
daß meine Tante Paula nicht gut für mich sorgen wird? Sie zieht mit in diese
Wohnung und will versuchen, Mutters Kunden zu bekommen. Sie ist vor kurzem von
ihrem Mann geschieden und hat selbst keine Kinder.“
    „So soll also alles werden —“, sagte
Elke langsam.
    „Ja, so soll alles werden“,
wiederholte Katje.
    Dann trat die Tante mit dampfendem
Kaffee ins Zimmer.
    „Bitte schön — wenn Sie unsere Armut
mit uns teilen mögen!“ sagte sie zu
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