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Elke, der Schlingel

Elke, der Schlingel

Titel: Elke, der Schlingel
Autoren: Emma Gündel
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den Augen, und als Herr Rump irgend etwas
Freundlichgemeintes zu ihr sagte, das sie aber nicht verstand, lächelte sie.
    Der armen Katje war es in diesen
Minuten fast noch kläglicher zumute als Elke selber, denn in dem Augenblick, wo
Elke das Klassenzimmer verlassen hatte, war die Angst um die Freundin aus ihr
hervorgebrochen, und sie hatte die Lehrerin angefleht: „Nein, Fräulein
Samtleben, Elke ist es nicht all eine gewesen. Bestimmt nicht!“
    Die Lehrerin hatte sehr ruhig
geantwortet: „So — also Elke ist es gewesen. Gut, daß ich es weiß.“
    Oh, die arme, arme Katje! Wie todunglücklich
war sie jetzt! Durch sie war Elke verraten worden!
    Katje brach in ein herzzerreißendes
Schluchzen aus, und die Lehrerin verbot ihr mit strengen Worten das Weinen.
    „überlegt euch vorher, was eure
Ungezogenheiten für Folgen haben!“ sagte sie böse. „Die Heulerei nachher ist
überflüssig.“
    Dann ging der Unterricht weiter seinen
Gang, aber Fräulein Samtleben war die einzige, die bei der Sache war, denn die
Kinder waren mit ihren Gedanken und mit ihren Herzen alle bei der armen Elke,
die jetzt vor dem gefürchteten Direktor stand.
    Wie lange Elke bloß unten blieb! Wohl
eine Viertelstunde war sie jetzt schon unten! Vielleicht durfte sie gar nicht
mehr in die Klasse zurückkehren, sondern ihre Schulmappe wurde dann von Herrn
Rump geholt, und Elke mußte nach Hause gehen und in einer anderen Schule
angemeldet werden. Zu furchtbar!
    Aber endlich wurden doch Schritte auf
dem Steinfußboden des langen Wandelganges hörbar, es klopfte leise an der Tür, und
Elke stand dann wieder in der Klasse. Sie wurde von Fräulein Samtleben ans Pult
gerufen.
    Die ganze Sexta atmete befreit auf.
Elke hatte ja gar nicht geweint! Elke sah nicht einmal besonders
niedergeschlagen aus! Sonderbar!
    Auch Fräulein Samtleben fand das
sonderbar. Sie wußte nicht, weshalb Elke zum Direktor gerufen worden war, denn
die Vermutung der Kinder, daß sie Elke angezeigt oder zum mindesten verdächtigt
hätte, war falsch. Die Lehrerin nahm an, daß Elke sich bei dem Direktor
irgendeiner anderen Unart wegen zu verantworten gehabt hatte, und sie fand es
deshalb sehr unangebracht, daß Elke so gleichmütig und alles andere als
zerknirscht aussah.
    „Was solltest du bei Herrn Direktor
unten?“ fragte das Fräulein Samtleben als erstes.
    „Ach, da hat eine Dame einen Brief
über mich geschrieben —“ antwortete Elke langsam.
    „Das wird ja ein erfreulicher Brief
gewesen sein. Das kann ich mir denken!“ sagte die Lehrerin.
    Elke lächelte verloren vor sich hin.
    „Lach nicht auch noch!“ fuhr die
Lehrerin auf. „Es ist inzwischen herausgekommen, daß du das entsetzliche Bild
an die Wandtafel gemalt hast. Ich kann nur sagen: Schäme dich! Ich weiß, daß
ich eine ziemlich große Nase habe, aber eine so entsetzlich große Nase, wie du
mir eine gemalt hast, hab’ ich deshalb doch noch nicht. Es ist abscheulich, daß
du dich lustig machst über etwas, für das der Mensch nichts kann.“
    Elke ließ den Mund offen stehen vor
Staunen. Sie sollte das Aussehen der Lehrerin verhöhnt haben wollen? Daran
hatte sie doch nicht im entferntesten gedacht! Die Nase war doch nur so lang
und dick geworden, weil die rosa Kreide so stumpf gewesen war.
    Die Lehrerin fuhr in ihrer
Strafpredigt fort: „Meinst du, daß du dir deshalb so viel erlauben kannst, weil
du einen angesehenen und wohlhabenden Vater hast? Das sage ich dir: Wenn du
selber nichts leistest und kein guter Mensch bist, dann nützt dir auch dein
guter Name nichts!“
    Elke war in ihrem Herzen ganz ratlos.
Fräulein Samtleben glaubte, daß sie eingebildet war und das Bild deshalb gemalt
hatte, weil sie meinte, sich was erlauben zu können? So war es doch gar nicht!
Das war doch ganz anders. Elke war dem Weinen nahe.
    In diesem Augenblick wurden laute,
sehr energische Schritte draußen auf dem Korridor hörbar, und kurz darauf
öffnete sich nach einem anmeldenden Pochen abermals die Klassentür. Dann stand
der Herr Direktor im Klassenzimmer. Er begrüßte Fräulein Samtleben mit einem
Händedruck, und ein zweiter Blick fiel auf das Gemälde an der Wandtafel.
    „Also das ist das Bild! Elke hat mir
ihren Übermut gebeichtet“, fuhr er, zur Lehrerin gewandt, fort und lachte dann.
„Alle Wetter, hab’ ich so einen Bauch? Schönheiten hat Elke ja nicht gerade aus
uns gemacht, Fräulein Samtleben, was? Na, aber wir werden Elke das beide gern
verzeihen, denke ich, denn ich habe da einen Brief erhalten,
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